Wo die Liebe beginnt
sie eine einzige Sache auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, wäre es Gleitgel. Diese Bemerkung hätte mich ärgern sollen, weil sie die wilden Zeiten aus Peters Vergangenheit heraufbeschworen, aber aus irgendeinem Grund bin ich noch nie eifersüchtig auf Robin gewesen, auch nicht, als ich sie ein paarmal im Bikini gesehen habe. Das Einzige, was mich an ihr stört, ist, wenn sie so tut, als wäre sie noch immer in ihren Exmann verliebt. Einmal kamen Peter und ich bei ihr vorbei, um Aidan abzuholen, und sie hatte wie zufällig ihr Hochzeitsalbum aufgeschlagen auf dem Couchtisch liegen. Schlimmer noch war aber Peters Reaktion, der einfach über die Sache lachte und seinen üblichen Spruch brachte: »So ist Robin eben.«
Es ist ja nicht so, dass ich mir wünsche, dass Peter und Robin verfeindet sind. Ich mag Robin sogar. Sie kann sehr witzig sein, und für gewöhnlich ist sie mehr als umgänglich. Aber wenn die beiden so tun, als wären sie noch ein Paar, könnte ich aus der Haut fahren.
»Wie gehtâs dir so, Robin?«, frage ich.
Sie seufzt und beginnt eine Tirade über ihr stressiges Leben. Sie ist eindeutig die gestressteste Nichterwebstätige, die ich kenne. Mitten im Satz über einen Benefizball, den sie organisiert, glotzt sie auf meinen groÃen Zeh, von dem seit heute Morgen der Nagellack abblättert.
»O je, was hast du denn mit deinem Zeh gemacht? Hast du dich gestoÃen?«, fragt sie mit ihrem Südstaatenakzent. Sie ist in Connecticut aufgewachsen, aber in Alabama aufs College gegangen und kann den Akzent ein- und ausschalten, wie es ihr gerade passt.
Ich zucke mit den Schultern und betrachte Peter, der sich mit Aidan unterhält. Dann feuere ich eine Spitze zurück: »Wer wei� Vielleicht beim Tennisspielen mit Peter.«
Das sage ich absichtlich, weil ich weiÃ, dass das ein neuralgischer Punkt in ihrer Ehe war. Er hat von ihr nicht verlangt, Marathon zu laufen oder Berge zu erklimmen, aber sie hat sich schon geweigert, sich am Strand die Haare nass zu machen. Er fand, das sei ein Zeichen dafür, was sonst alles nicht zwischen ihnen stimmte. Die beiden sind einfach zu verschieden, was sich nicht zuletzt in der Tatsache zeigt, wie fixiert Robin auf ihr ÃuÃeres ist. (Mit vierundvierzig hat sie sich zum Beispiel das Gesicht liften lassen.)
Das gröÃte und entscheidende Problem in ihrer Ehe aber war Robins chronische Unehrlichkeit. Sie hatte zwar nie eine Affäre â jedenfalls keine, von der Peter weià â und hat ihm nie eine richtig groÃe Lüge aufgetischt, aber genug kleine Schwindeleien und Halbwahrheiten, die sich irgendwann summierten. Die Hobotasche aus Krokodilleder von Devi Kroell war nicht »sooo teuer« (viertausend Dollar und damit schon ein Problem an sich); sie hatte vier Drinks und nicht sechs getrunken; ihr Ex aus dem College hatte ihr eine Freundschaftsanfrage auf Facebook geschickt, nicht umgekehrt. Robin schien wie die klassische zwanghafte Lügnerin, die auch dann log, wenn es gar keinen Grund dafür gab â bei völlig unwesentlichen Dingen wie der Frage, was sie zum Frühstück gegessen hatte. Peter sagte, als er ihr nicht mehr vertrauen konnte, schwand auch seine Zuneigung zu ihr. Und jetzt verkrampft sich mir beinahe der Magen, weil ich fürchte, dass es ihm mit mir genauso gehen wird.
Noch ein paar Minuten sitzt Robin da und redet in erster Linie mit sich selbst, dann steht sie plötzlich auf und hüpft an Peter und Aidan vorbei zur Tür. »Ich muss los. Hab ein heiÃes Date!«
Zu ihrer offensichtlichen Enttäuschung wirkt Peter nicht im Geringsten an ihrem Liebesleben interessiert. Oder an ihren Beinen.
»Willst du denn gar nicht wissen, mit wem ich mich treffe?«, fragt sie ihn. Sie legt den Kopf schief und spricht mindestens eine Oktave höher als normal. Aidan geht zur Couch und zieht einen Roman von Ursula Le Guin aus seiner Kuriertasche. Ich habe noch nie einen Jungen gesehen, der so viel liest wie er. Von seiner Mutter hat er das ganz sicher nicht, denn die hat mir einmal ganz offen gesagt, dass sie Lesen hasst . Wer gibt so was denn freiwillig zu?
»Ehrlich gesagt nicht«, gibt Peter belustigt zurück. Er sieht aus, als hätte er sie noch immer gern â so, wie man einen Hund mag, der ein paar neue Kunststückchen gelernt hat. »Aber du darfst es mir gerne sagen, wenn du magst.«
»Ich sagâs dir. Vor dir
Weitere Kostenlose Bücher