Wo die Liebe beginnt
Ehemann.
»Wo ist Peter?«, fragt Ben, nachdem wir uns begrüÃt haben.
»Er arbeitet. Kann heute leider nicht dabei sein«, sage ich. Keiner schöpft Verdacht, denn das ist absolut nichts Ungewöhnliches. Als wir dann an unserem reservierten Tisch in der Mitte des Raums Platz genommen haben, gestehe ich Claudia doch, dass wir uns gestritten haben.
»Willst du darüber reden?«, fragt sie.
»Worüber reden?«, platzt Jess in unser Gespräch hinein.
»Ach, nichts. Ich habe bloà erzählt, dass Peter und ich uns ein bisschen in die Haare gekriegt haben.« Dankbar halte ich mich an meinem Whiskeyglas fest. »Kann sein, dass wir uns trennen.«
»Ist nicht wahr!«, ruft Jess. »Was ist denn los? O nein, hat er dich betrogen? Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist.«
»Nein, es ist ganz anders«, sage ich und denke an all die verheirateten Männer, mit denen sie schon Affären hatte. Insofern wundert mich ihre erste Annahme nicht. »Es ist eine längere Geschichte.«
»Na, dann erzähl sie uns«, fordert Jess. »Es wird dir danach besser gehen.«
Ich lächele, weil wir so verschieden sind. Für sie gibt es unter Freundinnen keine Geheimnisse. »Geht es um seine bescheuerte Ex? Macht sie wieder Ãrger?«, rät sie.
»Nein, dieses Mal nicht.«
»Habt ihr ein Problem mit Aidan?«
»Willst du ein Ratespiel veranstalten oder Marian einfach erzählen lassen?«, fragt Claudia.
»Es gibt da ein paar Streitpunkte«, sage ich und denke an Kirby. Ich fühle einen dumpfen Schmerz in meiner Brust. »Ich glaube, er benutzt unsere Diskussionen, um die Tatsache zu rechtfertigen, dass er nicht bereit ist, sich weiterzuentwickeln.«
»Moment mal. Langsam. Und drück dich nicht so kryptisch aus«, sagt Jess. »Was ist los bei euch?«
»Ich glaube, er will kein Kind mehr«, sage ich.
»Aber du weiÃt nicht, ob das wirklich stimmt, oder?«, fragt Claudia. Sie ist Expertin auf diesem Gebiet. Sie hat vor einigen Jahren mit Ben Schluss gemacht und ihm nach ein paar Monaten wieder verziehen. Bei ihnen war es aber umgekehrt: Er wollte ein Kind und sie nicht. Die Fronten waren verhärtet, bis sie begriffen, dass es doch nicht so wichtig war. Heute haben sie eine dreijährige Tochter namens Frances, und ihre Mutter ist ganz vernarrt in sie.
»Ihr werdet euch schon wieder vertragen«, beschwichtigt mich Ben. Ich sehe ihm ins Gesicht und fühle mich gleich viel besser. Irgendwie verströmt er diese besondere Kraft. Er ist ein Mann, den man sich als Ehemann erträumt, wenn man acht Jahre alt ist und noch an die ewige Liebe glaubt. Der typisch amerikanische Junge, gut aussehend, aber kein Schönling. Witzig, aber nicht eingebildet. Klug und ehrgeizig, aber mit viel Familiensinn. Als Frances geboren wurde, hat er tatsächlich zwei Jahre Auszeit von seinem Architekturbüro genommen und sich den ganzen Tag um sie gekümmert. »Sieh dir Claudia und mich an. Manchmal muss man nur ein bisschen Geduld haben.«
»Vielleicht«, gebe ich zurück. »Aber ich hab nicht mehr viel Zeit, um geduldig zu sein.«
Claudia verdreht die Augen und erklärt, ich solle mich nicht lächerlich machen, aber ich bringe sie zum Schweigen, indem ich sie darauf hinweise, dass sie genauso alt war wie ich jetzt, als sie schwanger wurde.
»Aber ich bin zwei Jahre älter als du, und ich kriege auch nicht die Panik«, sagt Jess.
Ich vermeide es, den Namen Michael auszusprechen (ihr letzter Freund â die Trennung ist noch nicht lange her) und erinnere sie nur dezent daran, dass sie über einen Haufen eingefrorener Eizellen von sich selbst verfügt und sowieso vorhat, sich eine Leihmutter zu nehmen.
Claudia wirkt nachdenklich und sagt: »Und darum ist er heute Abend nicht gekommen? Weil du ein Baby willst und er sich noch nicht entschieden hat?« Ihrem Tonfall entnehme ich, dass sie weiÃ, dass ich ihnen einen wichtigen Teil der Geschichte verschwiegen habe â auch darum mag ich sie so gerne. Sie ist verdammt clever und versteht es, zwischen den Zeilen zu lesen.
Ich zögere. Ich gebe meine Abwehrhaltung endlich auf, als ich an Kirby denke. An ihr billiges Teenagerparfum und ihr unbeholfenes Make-up. An ihre groÃen Ohren und ihr süÃes, schüchternes Lächeln. An ihre überraschende Rap-Nummer im Writersâ Room und ihr kindliches Staunen im Guggenheim. Ich
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