Wo die Liebe beginnt
Das heiÃt, ein reifer Mensch würde dir ohne Weiteres verzeihen. Aber ganz ehrlich, ich wäre vermutlich auch geschockt. Nicht wütend, eher verletzt.«
»Wirklich?« Das nervöse Ziehen kehrt in meine Magengrube zurück. Wenn Ben ein Problem damit hätte, dann hätte jeder andere auch ein Problem.
Er nickt, runzelt die Stirn und fährt fort: »Und ich wäre wohl auch ein bisschen in Sorge. Es geht tatsächlich irgendwie um Aufrichtigkeit und Vertrauen. Möchtest du denn nicht auch daran glauben, dass er dir alles erzählt hat? Wenigstens das Wichtige in seinem Leben? Was, wenn er dir so eine Sache verschwiegen hätte? So einen Knaller?«
Ich versuche mir vorzustellen, dass Robin in Wirklichkeit seine zweite Ehefrau ist, nicht die erste. Oder passender, dass er noch ein weiteres Kind hat, irgendwo in einer anderen Stadt. »Ja, vielleicht würde mir das auch zu schaffen machen.«
»Aber wenn er damit nicht fertigwird, dann liebt er dich vielleicht nicht so, wie es sein sollte«, bemerkt Ben.
Ich schaue ihn gespannt an und warte darauf, dass er weiterredet.
»Das ist ja kein unverzeihliches Vergehen. Eigentlich ist gar nichts unverzeihlich, wenn man sich wirklich liebt«, sagt er und schaut Claudia an.
»Und was ist mit Kirby?«, fragt Claudia. »Bist du froh, dass sie dich gefunden hat?«
»Ja«, erwidere ich. »Irgendwie schon. Ich bin froh, dass es ihr gut geht. Sie scheint eine nette Familie zu haben ⦠und ein ziemlich schlaues Köpfchen zu sein â¦Â«
»Aber?«, fragt Jess.
»Aber es verkompliziert mein Leben. Nicht nur meine Beziehung zu Peter, sondern alles. Bevor sie aufgetaucht ist, war es allein meine Entscheidung, wem ich was sagen wollte. Jetzt muss ich mich mit ihr auseinandersetzen. Möchte sie vielleicht ihren GroÃvater kennenlernen? Dann muss ich es auch meinem Dad sagen. Möchte sie ein Teil meines Lebens werden? Dann muss ich ihr zeigen, dass ich sie darin willkommen heiÃe. Und â¦Â« Ich halte kurz inne und frage mich, ob dieser Teil der Geschichte jemals leichter auszusprechen sein wird. »Und ich werde es dem Vater des Kindes beichten müssen.« Mein Magen verkrampft sich. »Ich weiÃ, dass sie auch ihn suchen will. Sie hat es zwar nicht offen gesagt, aber ich habe es gespürt.«
»Möchtest du ihn denn suchen?«, fragt Ben.
Ich würde meine Sicht der Dinge gerne schönreden, habe aber nicht die Energie dazu. »Nein. Ich habe mein Leben lang versucht, diesen Fehler zu verdrängen. Ihn und die ganze damalige Zeit. Ich will das alles nicht wieder ausgraben, das ist das Letzte, was ich will.«
»Was willst du nicht wieder ausgraben?«, fragt Jess triumphierend. »Vielleicht deine Gefühle für ihn?«
»Jess, das hier ist keine Soap Opera«, sage ich.
»Könnte aber eine sein.«
»Ach, Quatsch«, gebe ich zurück. Wenn das wirklich eine Soap wäre, dann hätte Peter die Handlung verändert, und Conrad, Kirby und ich wären heute ein glückliches Trio.
»Selbst Quatsch«, blafft sie zurück. »Du musst ihn suchen. Du und deine Tochter, ihr müsst ihn suchen, so wie Thelma und Louise !« Sie grinst und macht eine blöde Handbewegung, die aussieht, als würde sie ein Lasso auswerfen.
15 â Kirby
»Wir müssen da hin«, sagt Belinda, während wir unter der Aufsicht unserer Lehrerin auf dem Sportplatz joggend unsere Runden drehen. Sie meint natürlich den Schulball â das einzige Thema, das ich noch nerviger finde als das Thema College. Zum hundertsten Mal erkläre ich ihr, dass ich da nicht hingehe. Und denke an Marian und an Conrad. Mein Gespräch mit Mr. Tully ist erst ein paar Tage her, und seitdem bin ich geradezu besessen davon, meinen Vater zu finden.
»Ach komm, Kirby«, sagt sie. »Ich will nicht zu Hause sitzen und Liebesfilme gucken und mich mit Popcorn vollstopfen.«
»Dann guck dir halt keine Liebesfilme an und iss kein Popcorn«, entgegne ich, als Justine Lewis uns gerade zum zweiten Mal überholt. Ihr langer blonder Zopf hüpft herum wie ein Lämmerschwanz und ihre neonpinken Nikes wirbeln den Staub auf wie Pig Pen von den Peanuts. Es ist zwar peinlich, gut in Sport zu sein, aber irgendwie bin ich doch neidisch auf Justine. Ich würde gern Schlagzeug spielen, so wie sie um den Sportplatz rennt â selbstbewusst und in aller
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