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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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ein paar Nähte zu meinem Hochzeitskleid beigetragen hatte. Ehe Philippe verkündet hatte, dass ich heiraten würde, hatten wir ein relativ schlichtes Kleid aus schwerer, schiefergrauer Seide in Auftrag gegeben. Ich hatte auf nur einem Paar Ärmeln, nicht zweien, bestanden, und dazu einem hohen Kragen gegen die winterliche Zugluft. Mit Stickereien bräuchten wir niemanden zu behelligen, hatte ich Marie erklärt. Außerdem hatte ich mich gegen die riesigen vogelkäfigartigen Reifröcke verwahrt, die den Rock in alle Richtungen abspreizen würden.
    Schon lange bevor Philippe ihr erklärt hatte, wo und zu welchem Anlass das Kleid getragen werden sollte, hatte Marie mich nach allen Regeln der Kunst missverstanden und meinen ursprünglichen Entwurf kreativ abgeändert. Nachdem die Hochzeit offiziell angekündigt worden war, kannte die Frau kein Halten mehr.
    »Marie, la robe est belle«, erklärte ich ihr und betastete dabei die schwer bestickte Seide. In goldenem, schwarzem und rosafarbenem Garn waren überall stilisierte Füllhörner, vertraute Symbole für Reichtum und Fruchtbarkeit, aufgestickt. Rosen und belaubte Zweige umspielten die blumengefüllten Hörner, während beide Paar Ärmel von bestickten Bändern umsäumt wurden. Die gleichen Bänder säumten auch das Mieder mit einem schlangenförmigen Muster aus Schriftrollen, Monden und Sternen. An der Schulter verbargen mehrere rechteckige Stofflappen die Schleifen, mit denen die Ärmel am Mieder befestigt waren. Trotz der kunstvollen Verzierungen passte das elegant geschnittene Mieder perfekt, und zumindest waren meine Wünsche bezüglich des Reifrockes beherzigt worden. Die Röcke wirkten voll, aber das war auf die Fülle des Stoffes und nicht auf ein Drahtgestell zurückzuführen. Unter meinen Unterröcken trug ich lediglich den ausgestopften, auf meinen Hüften ruhenden Stoffring und seidene Strümpfe.
    »Es hat eine kräftige Linie. Ganz schlicht«, versicherte mir Marie und zupfte am unteren Saum des Mieders, um es besser anliegen zu lassen.
    Die Frauen waren fast fertig mit Frisieren, als jemand klopfte. Catrine eilte zur Tür und warf dabei einen Korb mit Handtüchern um.
    Vor ihr standen Philippe in einem prachtvollen braunen Gewand und gleich dahinter Alain. Matthews Vater sah mich mit großen Augen an.
    »Diana?« Philippe klang unsicher.
    »Was ist denn? Stimmt etwas nicht?« Ich sah an meinem Kleid herab und schob mir nervös die Frisur zurecht. »Wir haben keinen Spiegel, der groß genug ist, damit ich …«
    »Du siehst bezaubernd aus, und Matthews Gesicht wird dir das besser zeigen, als irgendein Spiegel es könnte«, stellte Philippe fest.
    »Und du besitzt eine silberne Zunge, Philippe de Clermont«, erwiderte ich lachend. »Womit kann ich dir dienen?«
    »Ich bin gekommen, um dir dein Hochzeitsgeschenk zu überreichen.« Philippe streckte die Hand aus, und Alain legte einen großen Samtbeutel hinein. »Leider hatte ich keine Zeit, etwas anfertigen zu lassen. Das hier sind Familienstücke.«
    Er kippte den Inhalt des Beutels in seine andere Hand. Ein Strom an Licht und Feuer ergoss sich über seine Handfläche: Gold, Diamanten, Saphire. Mir stockte der Atem. Aber in dem Samt lagen noch mehr Schätze, darunter ein Perlenstrang, mehrere mit Opalen besetzte Mondsicheln und eine ungewöhnlich geformte goldene Pfeilspitze, deren Kanten sich im Lauf der Jahre abgeschliffen hatten.
    »Wozu dient das?«, fragte ich staunend.
    »Zum Tragen natürlich«, lachte Philippe leise. »Die Kette hat einst mir gehört, aber als ich Maries Kleid sah, fand ich, dass die gelben Diamanten und Saphire gut dazu passen würden. Es ist altertümlich im Stil, und mache würden behaupten, es wäre für eine Braut zu maskulin, aber die Kette liegt gewiss flach auf deinen Schultern auf. Ursprünglich hing ein Kreuz an der Kette, aber ich dachte, dir ist der Pfeil womöglich lieber.«
    »Ich kenne die Blumen gar nicht.« Die schlanken gelben Knospen erinnerten an Fresien und waren durchsetzt mit goldenen, von Saphiren umrahmten Lilien.
    » Planta genista. Auch Ginster genannt. Die Angevins trugen sie als Helmzier.«
    Er meinte die Plantagenets: die mächtigste Königsfamilie in der englischen Geschichte. Die Plantagenets hatten die Westminster Abbey ausbauen lassen, sie den Baronen übergeben und die Magna Carta unterzeichnet, sie hatten das Parlament eingerichtet und die Gründung der Universitäten in Oxford und Cambridge unterstützt. Die Herrscher aus dem Haus Plantagenet

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