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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Er vergab Stipendien für Griechisch- und Philosophiestudien und unterstützte Bildungsinstitute für Frauen. Ich fand das immer ein wenig befremdlich.«
    »Er war auf der Suche nach Diana«, erklärte Emily mit der Überzeugung einer Frau, die über das Zweite Gesicht verfügt.
    »Vielleicht. Einmal fragte ich ihn, warum er sich so für aktuelle Ereignisse interessierte und was er in der Zeitung zu entdecken hoffte. Philippe antwortete, das werde er wissen, sobald er es gefunden habe«, erwiderte Ysabeau. Sie lächelte traurig. »Er hatte eine Schwäche für Geheimnisse und sagte gern, am liebsten wäre er Detektiv, jemand wie Sherlock Holmes.«
    »Wir müssen aufpassen, dass wir alle kleinen Zeitverschiebungen bemerken, bevor sie der Kongregation auffallen«, sagte Sarah.
    »Ich werde Marcus informieren.« Ysabeau nickte.
    Sarah und Emily verließen die Bibliothek. Sie wohnten in Louisa de Clermonts altem Zimmer, auf demselben Flur wie Ysabeau, aber am anderen Ende. Sarah fand, dass das Zimmer manchmal ein bisschen nach Diana roch.
    Ysabeau blieb noch in der Bibliothek, hob die Bücher vom Boden auf und ordnete sie in die Regale ein. Als wieder Ordnung herrschte, kehrte sie zum Sofa zurück und griff noch einmal nach der Nachricht ihres Mannes. Sie hatte den Hexen nicht alles erzählt. Noch einmal las sie die letzten Zeilen.
    Aber genug von diesen düsteren Angelegenheiten. Du musst auch auf deine Sicherheit achten, damit du mit ihnen gemeinsam die Zukunft genießen kannst. Erst vor zwei Tagen habe ich dir geschrieben, dass dir mein ganzes Herz gehört. Ich wünschte, ich könnte es jeden Augenblick wiederholen, damit du es niemals vergisst, genauso wenig wie den Namen des Mannes, der deinen für alle Zeiten im Gedächtnis behalten wird. Philipos.
    In seinen letzten Lebenstagen hatte Philippe manchmal nicht mehr gewusst, wie er hieß, von ihr ganz zu schweigen.
    »Danke, Diana«, flüsterte Ysabeau in die Nacht, »dass du ihn mir zurückgegeben hast.«
    Mehrere Stunden später hörte Sarah merkwürdige Geräusche von oben – es klang wie Musik, aber mehr als Musik. Sie stolperte aus dem Zimmer und sah Marthe, in einen alten Chenillebademantel mit einem aufgestickten Frosch an der Tasche gehüllt, mit bittersüßer Miene im Flur stehen.
    »Was ist das?«, fragte Sarah und sah nach oben. Nichts Menschliches konnte einen so schönen und gleichzeitig schmerzhaften Klang hervorbringen. Auf dem Dach musste ein Engel sitzen.
    »Ysabeau singt wieder«, antwortete Marthe. »Seit Philippe starb, hat sie das nur ein einziges Mal getan – als Ihre Nichte in Gefahr war und in diese Welt zurückgeholt werden musste.«
    »Geht es ihr gut?« In jedem einzelnen Ton lagen so tiefe Trauer und ein so heftiger Schmerz, dass es Sarah das Herz zusammenschnürte.
    Marthe nickte. »Die Musik ist etwas Gutes, sie zeigt, dass ihre Trauerzeit vielleicht irgendwann zu Ende geht. Erst dann wird Ysabeau wieder zu leben beginnen.«
    Zwei Frauen, Vampirin und Hexe, lauschten schweigend, bis Ysabeaus Gesang in der Nacht verhallte.

Dritter Teil
    London:
Blackfriars

15
    E s sieht aus wie ein verrückt gewordener Igel«, sagte ich. Die Skyline von London war durchbrochen von spitzen Kirchtürmen, die aus dem Durcheinander der umliegenden Gebäude aufragten. »Was ist das denn?«, fragte ich staunend und deutete auf ein riesiges, von hohen Fenstern durchbrochenes Steingebilde. Hoch über dem Holzdach erhob sich ein verkohlter, stämmiger Stumpf, neben dem die Proportionen des Hauptbaus völlig verschoben wirkten.
    »Das ist St. Paul’s«, erklärte Matthew mir. Dies war nicht Christopher Wrens elegantes, von einer weißen Kuppel gekröntes Meisterwerk, dessen massige Gestalt im London der Moderne bis zum letzten Moment von Bürohochhäusern verstellt wurde. Die alte St. Paul’s Cathedral war, auf Londons höchstem Hügel thronend, nicht zu übersehen.
    »Ein Blitz schlug in den Kirchturm ein, und das Holzdach fing Feuer. Die Engländer glauben, dass nur durch ein Wunder nicht die gesamte Kathedrale bis auf die Grundmauern abbrannte«, fuhr er fort.
    »Wie nicht anders zu erwarten, glauben die Franzosen hingegen, dass die Hand des Herrn bei diesem Ereignis wesentlich früher im Spiel war«, kommentierte Gallowglass. Er hatte uns in Dover empfangen, ein Boot nach Southwark gelenkt und ruderte uns jetzt flussaufwärts. »Aber es tut nichts zur Sache, für wen Gott hier tätig war. Geld für den Wiederaufbau hat er uns jedenfalls keines

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