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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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kommen. Matthew Roydon bekommt alles, was er verlangt. Aber statt Hilfe erwartet mich dann ein weiterer Auftritt wie jener von Witwe Beaton. Und den brauche ich ganz bestimmt nicht.«
    »Hubbards Hilfe braucht Ihr noch weniger«, wandte Hancock säuerlich ein.
    »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit«, ermahnte ich Matthew. Hubbard wusste nicht, dass Matthew der Vater meines Kindes war, und weder Hancock noch Gallowglass hatten die Veränderungen in meinem Duft bemerkt – bis jetzt. Aber die Ereignisse dieses Abends hatten mir deutlich gemacht, wie heikel unsere Lage war.
    »Wie du meinst, Diana. Wir überlassen die Hexen dir. Aber keine Lügen«, forderte Matthew, »und auch keine Geheimnisse. Einer von uns muss zu jeder Zeit wissen, wo du bist.«
    »Matthew, Ihr könnt doch nicht …«, protestierte Walter.
    »Ich vertraue dem Urteil meiner Frau«, erklärte Matthew fest.
    »Das sagt Philippe auch immer über Granny«, murmelte Gallowglass leise. »Und dann ist jedes Mal der Teufel los.«

19
    F alls so der Teufel aussieht«, murmelte Matthew eine Woche nach unserem Treffen mit Hubbard, »dann wird Gallowglass tief enttäuscht sein.«
    Ehrlich gesagt strahlte die vierzehnjährige Hexe, die vor uns im Salon stand, weder höllische Hitze noch Schwefelgestank aus.
    »Psst«, machte ich, wusste ich doch, wie empfindsam Kinder in diesem Alter sein können. »Hat dir Vater Hubbard erklärt, weshalb du herkommen sollst, Annie?«
    »Ja, Mistress«, antwortete Annie geknickt. Es war schwer zu sagen, ob das Mädchen von Natur aus so blass war oder ob eine Mischung aus Unterernährung und Angst der Grund war. »Ich soll Euch dienen und Euch bei Euren Geschäften in der Stadt begleiten.«
    »Nein, so war das nicht abgemacht«, erklärte Matthew ungeduldig, und seine Stiefel landeten schwer auf dem Holzboden. Annie schreckte zusammen. »Besitzt du besondere Kräfte oder ein nennenswertes Wissen, oder will Hubbard uns einen Streich spielen?«
    »Ich habe keine großen Fähigkeiten«, stammelte Annie, und ihre hellblauen Augen stachen dabei aus dem weißen Gesicht heraus. »Aber ich brauche einen Platz zum Wohnen, und Vater Hubbard sagte …«
    »Oh, ich kann mir schon vorstellen, was Vater Hubbard sagte«, schnaubte Matthew verächtlich. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, woraufhin er blinzelnd verstummte.
    »Gib ihr eine Gelegenheit, es uns zu erklären«, ermahnte ich ihn scharf, bevor ich das Mädchen aufmunternd anlächelte. »Sprich, Annie.«
    »Ich soll Euch nicht nur dienen, sagte Vater Hubbard, sondern Euch auch zu meiner Tante bringen, sobald sie nach London zurückgekehrt ist. Sie wohnt im Augenblick einer Niederkunft bei und wollte nicht weggehen, solange die Frau sie noch braucht.«
    »Deine Tante ist nicht nur eine Hexe, sondern auch Hebamme?«, fragte ich freundlich.
    »Ja, Mistress. Eine sehr gute Hebamme und eine mächtige Hexe«, erklärte Annie stolz und richtete sich dabei auf. Dabei rutschte ihr zu kurzer Rock hoch, und die Kälte strich um ihre dürren Fesseln. Seine Söhne stattete Andrew Hubbard mit warmen, passenden Kleidern aus, aber für seine Töchter sorgte er weit weniger gewissenhaft. Ich unterdrückte meinen aufsteigenden Zorn. Françoise würde ihr Nähzeug auspacken müssen.
    »Und wie kamst du in Vater Hubbards Familie?«
    »Meine Mutter war keine tugendhafte Frau«, murmelte Annie und rang die Hände unter dem dünnen Umhang. »Vater Hubbard fand mich in der Nähe von Aldersgate in der Gruft unter St. Anne’s, direkt neben meiner toten Mutter. Meine Tante hatte gerade wieder geheiratet und würde bald Kinder bekommen. Ich war sechs Jahre alt. Ihr Mann wollte seine Söhne nicht gemeinsam mit mir aufwachsen lassen, weil er Angst hatte, ich könnte sie mit meiner Sündigkeit verderben.«
    Annie, inzwischen Teenager, lebte demnach schon ihr halbes Leben bei Hubbard. Der Gedanke ließ mich frösteln, und die Vorstellung, dass eine Sechsjährige irgendwen verderben könnte, war für mich unfassbar, aber diese Geschichte erklärte Annies verlorenes Aussehen und warum sie nach einer Krypta benannt war: Annie Undercroft.
    »Während Françoise dir etwas zu essen macht, kann ich dir zeigen, wo du schlafen wirst.« Ich war am Morgen im dritten Stock gewesen und hatte dort das kleine Bett, den Hocker und die Truhe inspiziert, in der die Hexe ihre Habseligkeiten aufbewahren würde. »Ich helfe dir, deine Sachen zu tragen.«
    »Mistress?«, fragte Annie verwirrt.
    »Sie hat nichts dabei«, sagte Françoise

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