Wo die Nacht beginnt
und musterte missbilligend das neueste Mitglied unseres Haushalts.
»Auch egal. Sie wird schon bald etwas besitzen.« Ich lächelte Annie zu, die mich unsicher ansah.
Françoise und ich brachten das Wochenende damit zu sicherzustellen, dass Annie geschrubbt, eingekleidet und mit anständigen Schuhen ausstaffiert wurde, und wir überzeugten uns außerdem, dass sie gut genug rechnen konnte, um meine Einkäufe zu erledigen. Um sie auf die Probe zu stellen, schickte ich sie in die nächste Apotheke, wo sie für einen Penny Federkiele und dazu ein halbes Pfund Siegelwachs kaufen sollte (Philippe hatte recht: Matthew hatte einen immensen Verbrauch an Bürobedarf), und tatsächlich kam sie mit Wechselgeld zurück.
»Er wollte einen ganzen Schilling dafür!«, beschwerte sich Annie. »Dabei kann man aus dem Wachs nicht einmal Kerzen ziehen, oder?«
Pierre hatte sofort einen Narren an dem Mädchen gefressen und machte es sich zur Aufgabe, Annie so oft wie möglich eines ihrer seltenen, süßen Lächeln zu entlocken. Er brachte ihr das Fadenspiel bei und erklärte sich bereit, mit ihr einen Sonntagsspaziergang zu unternehmen, nachdem Matthew kaum verhohlen angedeutet hatte, dass er gern ein paar Stunden mit mir allein wäre.
»Er wird das doch nicht … ausnutzen?«, fragte ich Matthew, während er mein liebstes Kleidungsstück aufknöpfte: eine ärmellose Männerjacke aus feiner schwarzer Wolle. Wenn wir zu Hause waren, trug ich sie zusammen mit einem Rock und einem Kittel.
»Pierre? Guter Gott, nein.« Matthew sah mich amüsiert an.
»Die Frage ist berechtigt.« Mary Sidney war nicht wesentlich älter gewesen, als man sie an den Meistbietenden verkauft hatte.
»Und ich habe dir wahrheitsgemäß geantwortet. Pierre vergreift sich nicht an jungen Mädchen.« Seine Hände kamen zur Ruhe, sobald er den letzten Knopf geöffnet hatte. »Was für eine angenehme Überraschung. Du trägst kein Korsett.«
»Es wird allmählich eng, und ich schiebe das auf das Baby.«
Mit einem wohlgefälligen Knurren zog er mir die Jacke aus.
»Und er wird darauf achten, dass kein anderer Mann sie belästigt?«
»Kann dieses Gespräch vielleicht bis später warten?« Matthew sah mich entnervt an. »So kalt, wie es ist, werden die beiden nicht lange wegbleiben.«
»Wie ungeduldig du im Schlafzimmer sein kannst«, sagte ich und schob meine Hand in seinen Hemdkragen.
»Wirklich?« Matthew zog in gespieltem Unglauben seine aristokratischen Brauen hoch. »Und ich dachte, meine bewundernswerte Selbstbeherrschung wäre das Problem.«
Die nächsten Stunden verbrachte er damit, mir zu zeigen, wie grenzenlos seine Geduld an einem Sonntag in einem leeren Haus sein konnte. Als die anderen schließlich heimkehrten, waren wir beide angenehm erschöpft und in deutlich besserer Stimmung.
Am Montag war leider alles wieder beim Alten. Matthew wirkte zerstreut und gereizt, sobald im Morgengrauen die ersten Briefe eintrudelten, und er schickte der Countess of Pembroke unter Bedauern eine Absage, als sich zeigte, dass ihn seine vielen Verpflichtungen daran hindern würden, mich zu unserem gemeinsamen Mittagessen zu begleiten.
Mary reagierte kein bisschen überrascht, als ich ihr erklärte, warum Matthew nicht mitgekommen war, blinzelte Annie an wie eine mäßig neugierige Eule und schickte sie dann in die Küche und damit in die Obhut ihrer Zofe Joan. Wir genossen ein köstliches Mittagessen, in dessen Verlauf Mary mir detailliert das Privatleben jedes einzelnen Bewohners von Blackfriars und Umgebung schilderte. Danach zogen wir uns, assistiert von Joan und Annie, in ihr Labor zurück.
»Und wie geht es Eurem Gemahl«, fragte die Countess, während sie, den Blick auf das vor ihr liegende Buch geheftet, die Ärmel hochrollte.
»Der ist bei guter Gesundheit«, antwortete ich. Das war, wie ich gelernt hatte, das elisabethanische Äquivalent zu »Danke, gut.«
»Wie schön zu hören.« Mary drehte sich um und rührte in etwas ekelhaft Aussehendem und noch ekelhafter Riechendem. »Davon hängt, fürchte ich, vieles ab. Die Königin verlässt sich auf ihn mehr als auf jeden anderen im Königreich, abgesehen von Lord Burghley.«
»Ich wünschte nur, seine gute Laune wäre beständiger. Matthew ist in diesen Tagen wie Quecksilber. Mal kann er die Finger nicht von mir lassen, und im nächsten Moment ignoriert er mich, als wäre ich nicht mehr als ein Möbelstück.«
»So behandeln die Männer alles, was ihnen gehört.« Sie griff nach einem Wasserkrug.
»Ich
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