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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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noch mit Euch zu sprechen, Master Roydon«, rief Elisabeth, während die Kissen zu ihrer Zufriedenheit arrangiert wurden. »Entfernt Euch nicht zu weit.«
    »Pierre wartet im Audienzsaal nebenan. Er zeigt dir mein Zimmer, in dem du ein Bett und etwas Ruhe und Frieden finden wirst. Dort kannst du dich ausruhen, bis Ihre Majestät mich gehen lässt. Es dürfte nicht lange dauern. Sie will nur einen ausführlichen Bericht über Kelley hören.« Matthew hob meine Hand an seine Lippen und gab mir einen formvollendeten Handkuss.
    So gern, wie Elisabeth ihre diversen männlichen Untergebenen um sich hatte, konnte das Stunden dauern.
    Ich war zwar darauf gefasst, dass es im Audienzsaal laut sein würde, trotzdem stockte ich kurz. Höflinge, die nicht wichtig genug waren, um im Kabinettsaal speisen zu dürfen, schubsten mich rücksichtslos aus dem Weg, um etwas zu beißen zu ergattern, bevor alles aufgegessen war. Bei dem Geruch des gebratenen Wilds drehte sich mir der Magen um. Ich würde mich nie daran gewöhnen, und das Baby mochte ihn genauso wenig.
    Pierre und Annie lehnten mit anderen Dienstboten an der Wand. Beide wirkten erleichtert, als ich auftauchte.
    »Wo ist Milord?«, fragte Pierre, als er mich aus dem Gedränge gezogen hatte.
    »Er wartet der Königin auf«, sagte ich. »Ich bin so müde, dass ich nicht mehr stehen kann – oder essen. Würdest du mich in Matthews Zimmer bringen?«
    Pierre sah besorgt auf den Durchgang zum Kabinettsaal. »Natürlich.«
    »Ich kenne den Weg, Mistress Roydon«, meldete sich Annie zu Wort. Annie, frisch aus Prag heimgekehrt und schon zum zweiten Mal am Hofe Elisabeths, gab sich bemüht weltgewandt.
    »Ich habe ihr Milords Zimmer gezeigt, als Ihr zu Ihrer Majestät geführt wurdet«, versicherte mir Pierre. »Es ist nur ein Stockwert tiefer, direkt unter den Gemächern, in denen früher die Gemahlin des Königs wohnte.«
    »Und in denen jetzt wohl die Günstlinge der Königin wohnen«, murmelte ich vor mich hin. Bestimmt waren das die Räume, in denen auch Walter schlief – oder nicht schlief, je nachdem. »Warte hier auf Matthew, Pierre. Annie und ich finden uns schon zurecht.«
    »Danke, Madame.« Pierre sah mich dankbar an. »Mir gefällt der Gedanke nicht, ihn allzu lange mit der Königin allein zu lassen.«
    In der wesentlich spärlicher eingerichteten Wachkammer machten sich die königlichen Bediensteten über ihr Abendessen her. Sie sahen mir und Annie mit müßiger Neugier nach, als wir vorbeigingen.
    »Es muss auch einen direkteren Weg geben.« Ich biss mir auf die Lippe und sah die lange Treppe hinunter. Im Großen Saal war es bestimmt wieder voll.
    »Tut mir leid, Mistress, aber es gibt wirklich keinen«, meinte Annie bedauernd.
    »Dann stellen wir uns der Meute«, seufzte ich.
    Tatsächlich drängten sich im Großen Saal Bittsteller, die allesamt zur Königin wollten. Als wir aus der Richtung der königlichen Gemächer erschienen, begrüßte uns ein aufgeregtes Rascheln, das aber sofort in enttäuschtes Gemurmel umschlug, als sich herausstellte, dass ich niemand von Rang war. Nach den Erfahrungen an Rudolfs Hof hatte ich mich halbwegs daran gewöhnt, dass man sich für mich interessierte, trotzdem war es mir immer noch unangenehm, die Augen neugieriger Menschen, den leisen Druck der Dämonenblicke und das Kribbeln eines einzelnen Hexenblicks zu spüren. Als auch noch der eisige Blick eines Vampirs auf meinem Rücken zu liegen kam, drehte ich mich erschrocken um.
    »Mistress?«, wollte Annie wissen.
    Ich suchte die Menge ab, konnte die Quelle des Blicks aber nicht ausmachen.
    »Nichts, Annie«, murmelte ich beklommen. »Meine Phantasie spielt mir Streiche.«
    »Ihr müsst Euch ausruhen«, schalt sie mich und klang dabei genau wie Susanna.
    Aber auch in Matthews geräumigen Gemächern im Erdgeschoss sollte ich trotz des beruhigenden Blicks auf die königlichen Gärten keine Ruhe finden. Denn dort erwartete mich Englands wichtigster Dramatiker. Ich schickte Annie los, Jack zu suchen, der sich mit Sicherheit in irgendeinen Schlamassel bugsiert hatte, und wappnete mich, Christopher Marlowe gegenüberzutreten.
    »Hallo, Kit«, sagte ich. Der Dämon sah von Matthews Schreibtisch auf, auf dem mit Versen beschriebene Seiten lagen. »So ganz allein?«
    »Walter und Henry speisen mit der Königin. Warum seid Ihr nicht dabei?« Kit wirkte bleich, dünn und zerstreut. Er stand auf und begann seine Papiere einzusammeln, wobei er immer wieder nervös zur Tür sah, so als würde er

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