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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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– die Seidenschnüre, die Goody Alsop mir geschenkt hatte, um meine Zaubersprüche zu weben, ein glatter Glaskiesel, den Jack im Sand der Elbe gefunden und für einen Edelstein gehalten hatte, das Fragment eines kostbaren Bezoarsteines, den Susanna in ihrer Medizin verwenden konnte, Matthews Salamander. Und eine schrecklich verschnörkelte Halskette mit einem sterbenden Drachen daran, die mir der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches geschenkt hatte. Ich legte sie zwischen der Königin und mir auf den Tisch.
    »Dieses Prunkstück ist einer Königin würdig, nicht der Frau eines Edelmannes.« Elisabeth legte einen Finger auf den funkelnden Drachen. »Was habt Ihr Rudolf gegeben, dass er Euch das hier verehrt hat?«
    »Es ist so, wie Matthew sagt, Eure Majestät. Der Kaiser begehrt vor allem das, was er nicht bekommen kann. Er dachte, er könnte sich hiermit meine Gunst erkaufen. Er hat sich getäuscht«, erklärte ich kopfschüttelnd.
    »Vielleicht könnte es Rudolf nicht ertragen, wenn sich herumsprechen sollte, dass ihm etwas so Kostbares entgangen ist«, schlug Matthew vor.
    »Meint Ihr damit Eure Frau oder das Geschmeide?«
    »Meine Frau«, antwortete Matthew knapp.
    »Trotzdem könnte das Schmuckstück nützlich sein. Vielleicht wollte er die Kette eigentlich mir überlassen«, sinnierte Elisabeth, »und Ihr habt es übernommen, sie zur Sicherheit persönlich nach England zu bringen.«
    »Dianas Deutsch ist nicht besonders gut«, stimmte Matthew ihr mit einem feinen Lächeln zu. »Als Rudolf die Kette über ihre Schultern legte, tat er das vielleicht nur, um sich besser vorstellen zu können, wie sie an Euch aussehen würde.«
    »Ach, das bezweifle ich«, kommentierte Elisabeth trocken.
    »Falls der Kaiser dieses Geschmeide der Königin von England zugedacht hat, hätte er bestimmt gewünscht, dass es mit der angemessenen Feierlichkeit überreicht wird. Wenn wir dem Botschafter die ihm zustehende Gunst erweisen …«, schlug ich vor.
    »Das nenne ich eine hübsche Lösung. Natürlich wird sie niemanden zufriedenstellen, aber sie gibt meinen Höflingen zu knabbern, bis etwas Neues sie ablenkt.« Elisabeth trommelte versonnen auf den Tisch. »Das klärt aber nicht die Angelegenheit mit dem Buch.«
    »Würdet Ihr mir glauben, wenn ich Euch versicherte, dass es nicht wichtig ist?«, fragte Matthew.
    Elisabeth schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Das dachte ich mir. Und wie steht es mit dem Gegenteil – dass die gesamte Zukunft davon abhängt?«, fragte Matthew.
    »Das ist noch weiter hergeholt. Aber nachdem ich keinesfalls möchte, dass Rudolf oder irgendeiner aus seiner Sippe die gesamte Zukunft in seinen Händen hält, überlasse ich es Euch, das Buch zurückzugeben – sollte es je wieder in Euren Besitz kommen.«
    »Ich danke Euch, Eure Majestät«, sagte ich, erleichtert, dass die Angelegenheit mit relativ wenigen Lügen gelöst worden war.
    »Ich habe das nicht für Euch getan«, wies Elisabeth mich scharf zurecht. »Kommt, Sebastian. Legt mir den Schmuck um. Dann könnt Ihr Euch in Master Roydon zurückverwandeln, und wir werden gemeinsam in den Kabinettsaal treten und unsere Dankbarkeit in einem Maß zelebrieren, das alle in Erstaunen versetzt.«
    Matthew tat wie geheißen und ließ dabei die Finger ein wenig länger als unbedingt nötig auf der Schulter der Königin ruhen. Sie tätschelte seine Hand.
    »Sitzt meine Perücke?«, fragte Elisabeth mich und erhob sich.
    »Ja, Eure Majestät.« In Wahrheit saß sie nach Matthews Handreichungen ein bisschen schief.
    Elisabeth fasste nach oben und zupfte ihre Perücke zurecht. »Bringt Eurem Weib bei, überzeugender zu lügen, Master Roydon. Wenn sie nicht besser in der Kunst der Täuschung geschult wird, kann sie am Hof nicht lange überleben.«
    »Ehrlichkeit bekommt unserer Welt besser als noch mehr Höflinge«, kommentierte Matthew und nahm ihren Ellbogen. »Diana wird bleiben, wie sie ist.«
    »Ein Ehemann, der die Ehrlichkeit seiner Frau zu schätzen weiß.« Elisabeth schüttelte den Kopf. »Das ist wohl der bislang beste Beweis, dass die Welt bald untergehen wird, genau wie von Dr. Dee vorhergesagt.«
    Als Matthew und die Königin durch die Tür zum Kabinettsaal traten, verstummten alle Anwesenden. Der Raum war voller Menschen, und gespannte Blicke zuckten zwischen der Königin, William Cecil und einem jungen Mann von Anfang zwanzig – vermutlich der kaiserliche Gesandte – hin und her. Matthew löste sich von Elisabeths Hand, die locker auf seinem

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