Wo die Nacht beginnt
angewinkelten Ellbogen lag. Meine Feuerdrachin schlug unter meinen Rippen aufgeregt mit den Schwingen.
Ich legte die Hand auf meine Kehle, um sie zu beruhigen. Das hier sind echte Drachen, warnte ich sie im Stillen.
»Ich danke dem Kaiser für Sein Geschenk, Eure Exzellenz«, sagte Elisabeth und ging direkt auf den Jüngling zu, die Hand zum Kuss ausgestreckt. Der junge Mann starrte sie verständnislos an. » Gratias tibi ago.«
»Sie werden immer jünger«, murmelte Matthew und zog mich an seine Seite.
»Das sage ich auch immer über meine Studenten«, flüsterte ich zurück. »Wer ist das?«
»Vilém Slavata. Bestimmt hast du in Prag seinen Vater gesehen.«
Ich studierte den jungen Vilém und versuchte mir vorzustellen, wie er in zwanzig Jahren aussehen mochte. »War sein Vater der Dicke mit dem Grübchenkinn?«
»Einer von denen. Damit hast du praktisch alle Hofbeamten Rudolfs beschrieben«, sagte Matthew, als ich ihm einen verärgerten Blick zuwarf.
»Hört auf zu flüstern, Master Roydon.« Elisabeth durchbohrte meinen Gemahl mit einem vernichtenden Blick, woraufhin er sich gehorsam verbeugte. Ihre Majestät fuhr in rasend schnellem Latein fort: »Decet eum qui dat, non meminisse beneficii: eum vero, qui accipit, intueri non tam munus quam dantis animum.« Die englische Königin unterzog den Gesandten einer Sprachprüfung, um festzustellen, ob er ihrer würdig war.
Slavata erbleichte. Der arme Junge würde durchfallen.
Es geziemt dem Schenkenden, den Gefallen nicht im Gedächtnis zu behalten; hingegen geziemt es der Beschenkten, weniger auf das Geschenk als in die Seele des Schenkenden zu blicken. Ich hustete, um mein Glucksen zu überspielen, nachdem ich die Worte übersetzt hatte.
»Eure Majestät?«, stammelte Vilém auf Englisch mit schwerem Akzent.
»Geschenk. Vom Kaiser.« Elisabeth deutete herrisch auf den Halsschmuck aus emaillierten Kreuzen, der auf ihren schmalen Schultern lag. Der Drache hing an Ihrer Majestät tiefer als an mir. Sie seufzte übertrieben verärgert. »Übersetzt ihm in seine Muttersprache, was ich gesagt habe, Master Roydon. Lateinunterricht zu geben fehlt mir die Muße. Schickt der Kaiser seine Gesandten nicht mehr zur Schule?«
»Seine Exzellenz spricht Latein, Eure Majestät. Der Gesandte Slavata hat an der Universität von Wittenberg studiert und danach Jus in Basel, wenn mich die Erinnerung nicht trügt. Nicht die Sprache hat ihn so verwirrt, sondern Eure Botschaft.«
»Dann wollen wir deutlicher werden, damit er – und sein Herr – sie richtig verstehen.«
Achselzuckend übersetzte Matthew die Botschaft Ihrer Majestät in Slavatas Muttersprache.
»Ich habe durchaus verstanden, was sie gesagt hat«, erwiderte der junge Slavata verdattert. »Aber was meint sie damit?«
»Ihr seid verwirrt«, fuhr Matthew mitfühlend auf Tschechisch fort. »Das erleben viele junge Gesandte. Macht Euch deswegen keine Sorgen. Sagt der Königin, dass Rudolf hocherfreut ist, ihr dieses Geschmeide schenken zu dürfen. Dann können wir alle essen.«
»Könnt Ihr der Königin das für mich ausrichten?« Slavata war völlig aus dem Fahrwasser geraten.
»Ich hoffe doch, Ihr habt kein weiteres Missverständnis zwischen Kaiser Rudolf und mir verursacht, Master Roydon«, mischte sich Elisabeth ein, die es sichtlich ärgerte, dass sie zwar sieben Sprachen beherrschte, aber leider kein Tschechisch.
»Seine Exzellenz vermeldet, dass der Kaiser Eurer Majestät Gesundheit und Glück wünscht. Und Botschafter Slavata ist hocherfreut, dass sich der Schmuck nunmehr dort befindet, wo er hingehört, und nicht verlorenging, wie der Kaiser befürchtete.« Matthew sah seine Herrin wohlwollend an. Sie wollte etwas sagen, klappte dann aber den Mund zu und warf ihm einen finsteren Blick zu. Slavata wollte, lernbegierig, wissen, wie es Matthew geschafft hatte, die englische Königin zum Schweigen zu bringen. Als der Gesandte Matthew bedeuten wollte, ihm seinen Kommentar zu übersetzen, nahm Cecil den jungen Mann beiseite.
»Herrliche Neuigkeiten, Eure Exzellenz. Ich glaube, für heute habt Ihr genug Lektionen erhalten. Kommt und esst mit mir«, sagte Cecil und lenkte ihn an einen nahen Tisch. Die Königin, an die Wand gespielt von ihrem Spion und ihrem persönlichen Berater, erklomm schnaubend ihr Podest, wobei ihr Bess Throckmorton und Walter Raleigh die drei flachen Stufen hinaufhalfen.
»Was passiert jetzt?«, flüsterte ich. Die Show war zu Ende, und die Anwesenden wurden unruhig.
»Ich wünsche,
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