Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
Vom Netzwerk:
wischen.
    »Ich kann keine Kerzen anzünden. Und niemand hat mir bisher beibringen können, wie man ein Buch öffnet oder eine Glocke zum Verstummen bringen kann. Aber wenn ich keine magischen Mächte besitze, wie erklärt Ihr Euch dann dies?« Auf dem Tisch stand auch eine Schale mit Obst. Weitere Quitten, frisch aus dem Garten gepflückt, leuchteten golden im fahlen Licht. Ich nahm eine davon und legte sie flach auf meine Hand, sodass alle sie sehen konnten.
    Meine Handfläche begann zu kribbeln, sobald ich mich auf die Frucht darin zu konzentrieren begann. Ich sah das saftige Quittenfleisch unter der harten Schale so deutlich, als wäre die Frucht aus Glas. Meine Augen schlossen sich langsam, während mein Hexenauge aufging und nach Informationen zu fahnden begann. Mein Bewusstsein breitete sich von der Mitte meiner Stirn aus, durch meinen Arm bis in die Fingerspitzen. Es verästelte sich wie Wurzelwerk und durchdrang mit seinen Ausläufern die Quitte.
    Die Quitte offenbarte mir ein Geheimnis nach dem anderen. In der Mitte hauste ein Wurm, der sich durch das weiche Fruchtfleisch fraß. Meine Konzentration wurde von der Kraft abgelenkt, die darin wohnte, und Wärme kitzelte auf meiner Zunge, als könnte ich den Sonnenschein schmecken. Die Haut zwischen meinen Brauen bebte vor Lust, als ich das Licht der unsichtbaren Sonne trank. So viel Kraft , dachte ich. Leben. Tod. Plötzlich war es mir egal, wer mir zusah. Für mich zählte nur noch die Möglichkeit, das, was in meiner Hand lag, mit grenzenlosem Wissen zu durchdringen.
    Die Sonne reagierte auf meine stumme Einladung und sickerte aus der Quitte in meine Finger. Instinktiv versuchte ich dem Sonnenlicht zu widerstehen und es dort zu halten, wohin es gehörte – in der Frucht –, aber die Quitte wurde braun, schrumpelte und sank in sich zusammen.
    Witwe Beaton schnappte nach Luft und riss mich damit aus meiner Trance. Verdattert ließ ich die verformte Frucht fallen und sah sie klatschend auf den polierten Dielen aufschlagen. Als ich aufblickte, bekreuzigte sich Henry schon wieder. Sein Entsetzen zeigte sich überdeutlich in seinem starren Blick und den langsamen, automatischen Handbewegungen. Tom und Walter blickten währenddessen wie gebannt auf meine Finger, auf denen winzige Sonnenstrahlen vergeblich versuchten, die gekappte Verbindung mit der Quitte wiederherzustellen. Matthew nahm meine sprühenden Hände in seine, damit niemand mehr sah, wie wenig ich meine Kräfte kontrollieren konnte. Weil meine Hände immer noch Funken sprühten, versuchte ich mich aus seinem Griff zu lösen, um ihn nicht zu versengen. Er schüttelte den Kopf, ließ seine Hände, wo sie waren, und sah mir in die Augen, als wollte er mir versichern, dass er stark genug war, um alle Magie zu absorbieren, die ich absonderte. Nach kurzem Zögern ließ ich meinen Körper an seinen sinken.
    »Es ist vorbei. Es genügt«, sagte er voller Mitgefühl.
    »Ich kann den Sonnenschein schmecken, Matthew.« Meine Stimme bebte vor Angst. »Und ich kann sehen , wie die Zeit in den Ecken wartet.«
    »Dieses Weib hat einen Wearh behext. Das ist Teufelswerk«, zischte Witwe Beaton. Sie wich ängstlich zurück und zielte mit gegabelten Fingern in meine Richtung, um die Gefahr abzuwehren.
    »In Woodstock gibt es keinen Teufel«, wiederholte Tom mit fester Stimme.
    »Ihr besitzt ein Buch voller fremdartiger Siegel und magischer Beschwörungen!« Witwe Beaton deutete auf Euklids Elemente . Nur gut, dachte ich, dass sie nicht gehört hatte, wie Kit aus Doktor Faustus vorgelesen hatte.
    »Das ist Mathematik, keine Magie«, protestierte Tom.
    »Ihr könnt es nennen, wie Ihr wollt, aber ich habe die Wahrheit gesehen. Ihr seid genau wie die anderen, Ihr habt mich nur hergerufen, um mich in Eure dunklen Machenschaften zu ziehen.«
    »Welche anderen?«, fragte Matthew scharf.
    »Die Gelehrten von der Universität. Sie haben zwei Hexen aus Duns Tew mit Fragen gequält. Sie wollten unser Wissen stehlen und verurteilten dennoch die Frauen, die es mit ihnen teilten. Und in Faringdon wollte sich gerade ein Konvent gründen, doch die Hexen zerstreuten sich in alle Winde, als Männer wie Ihr auf sie aufmerksam wurden.« Ein Konvent bedeutete Sicherheit, Schutz, Gemeinschaft. Ohne einen Konvent war eine Hexe schutzlos ihrer neidischen und ängstlichen Umgebung ausgesetzt.
    »Niemand will Euch aus Woodstock vertreiben.« Eigentlich wollte ich sie beschwichtigen, aber schon bei meinem ersten Schritt in ihre Richtung wich sie

Weitere Kostenlose Bücher