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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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zurück.
    Die Witwe richtete sich entrüstet auf. »Ich bin eine anerkannte Heilerin und kenne Kräuter, mit denen ich Männer und Frauen vor Krankheit schützen kann. Master Roydon weiß um meine Fähigkeiten.«
    »Das ist das Gewerbe einer Hexe. Aber unser Volk verfügt auch über andere Fähigkeiten«, sagte ich vage. Matthews Finger bohrten sich in meine Hand und drängten mich zu schweigen.
    »Von derlei Fähigkeiten weiß ich nichts«, erwiderte sie sofort. Die alte Frau war genauso engstirnig wie meine Tante Sarah und zeigte die gleiche Verachtung für Hexen wie mich, die über die Elemente gebieten konnten, ohne zuvor die Hexenkünste studiert zu haben. Sarah wusste zwar, wozu jedes Kraut und jede Pflanze gut war, und kannte Hunderte Zauberformeln auswendig, aber das allein machte eine Hexe nicht aus. Witwe Beaton wusste das genau, auch wenn sie es nicht zugeben wollte.
    »Gewiss lässt sich nicht nur durch eine schlichte Berührung bestimmen, über welche Kräfte diese Frau verfügt. Jemand mit Euren Fähigkeiten kennt sicherlich noch andere Möglichkeiten.« Matthews ironischer Tonfall forderte die Alte heraus. Witwe Beaton wog unschlüssig die Börse in ihrer Hand. Letztendlich war sie doch so schwer, dass sie sich der Herausforderung stellte. Sie ließ den Beutel in eine verborgene Tasche unter ihren Röcken gleiten.
    »Natürlich gibt es Prüfungen, um festzustellen, ob jemand eine Hexe ist. Manchmal genügt es, sie ein Gebet aufsagen zu lassen. Wenn die angebliche Hexe sich dabei verspricht oder auch nur stockt, beweist das, dass der Teufel nicht weit ist«, verkündete sie mit unheilvollem Unterton.
    »In Woodstock ist der Teufel nicht unterwegs, Witwe Beaton«, sagte Tom und klang wie ein Vater, der ein Kind zu überzeugen versucht, dass unter seinem Bett kein Monster steckt.
    »Der Teufel ist überall, Sir. Wer etwas anderes glaubt, wird alsbald seiner Heimtücke zum Opfer fallen.«
    »Das sind menschliche Fabeln, mit denen die Abergläubischen und die schwachen Geister verängstigt werden sollen«, erklärte Tom abfällig.
    »Nicht jetzt, Tom«, murmelte Walter.
    »Es gibt noch mehr Zeichen.« Wie immer konnte George es kaum erwarten, sein Wissen zu zeigen. »Oft zeichnet der Teufel eine Hexe mit Narben und Makeln als sein Eigentum.«
    »Wahr gesprochen, Sir«, sagte Witwe Beaton, »und weise Männer wissen, wo sie danach suchen müssen.«
    Schlagartig sackte mir das Blut aus dem Kopf, und mir wurde schwindlig. Falls jemand das bei mir überprüfen würde, würde er sofort fündig.
    »Es muss noch andere Methoden geben«, sagte Henry nervös.
    »Ja, die gibt es, Mylord.« Witwe Beaton ließ den Blick ihres milchigen Auges durch den Raum schweifen. Sie deutete auf den Tisch mit den wissenschaftlichen Instrumenten und Bücherstapeln. »Kommt mit.«
    Witwe Beatons Hand schob sich durch den Schlitz in ihren Röcken, in dem zuvor die Münzen verschwunden waren, und zog eine zerkratzte Messingglocke heraus. Sie stellte sie auf den Tisch. »Und nun bringt mir bitte eine Kerze.«
    Henry kam der Aufforderung eilig nach, und die Männer stellten sich neugierig um den Tisch herum auf.
    »Manche behaupten, die wahre Macht einer Hexe entstehe dadurch, dass sie ein Wesen zwischen Leben und Tod, Licht und Dunkelheit sei. Am Scheideweg dieser Welt kann sie das Werk der Natur ungeschehen machen und die Bande lösen, mit denen die Ordnung der Dinge zusammengehalten wird.« Witwe Beaton zog eines der Bücher auf eine Linie mit der Kerze in ihrem schweren Silberständer und der Messingglocke. Dann senkte sie die Stimme. »Wenn in früheren Zeiten die Nachbarn eine Hexe entdeckten, dann trieb man sie aus der Kirche, indem man die Totenglocke läuten ließ, um zu verkünden, dass sie tot sei.« Witwe Beaton hob die Glocke an und schlug sie mit einer schnellen Bewegung aus dem Handgelenk an. Dann ließ sie die Glocke los, die dennoch immer weiter läutend über dem Tisch schwebte. Tom und Kit beugten sich gespannt vor, George schnappte nach Luft, und Henry bekreuzigte sich. Witwe Beaton beobachtete zufrieden die Reaktion der Männer und richtete den Blick dann auf die englische Übersetzung vonEuklids Elemente der Geometrie, die aufgeschlagen auf der Tischplatte zwischen mehreren mathematischen Instrumenten aus Matthews umfassender Sammlung lag.
    »Dann nahm der Priester ein heiliges Buch – die Bibel – und schloss es, um deutlich zu machen, dass der Hexe der Zugang zu Gott verwehrt bleiben würde.« Die Elemente der

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