Wo die Nelkenbaeume bluehen
sich getan, die Tatsachen zu akzeptieren. Doch jetzt, wo sie es einmal geschafft hatte, erschien es ihr plötzlich unglaublich leicht.
Zumindest der Teil der Angelegenheit, der nicht Stephen betraf. Denn sie war alles andere als sicher, wie er reagieren würde, wenn sie jetzt plötzlich vor ihm stand. Nachdem sie ihn beim letzten Mal so abrupt abgefertigt hatte.
Wie sollte es weitergehen, wenn er zu dem Schluss kam, dass es die Sache nicht wert war? Dass ihre ständigen Stimmungsumschwünge zu anstrengend waren, zu mühsam, um sich immerzu damit herumzuschlagen.
Nein, sagte sie zu sich selbst. Nein, so wird es nicht kommen!
Doch ein letzter Zweifel blieb zurück. Und es gab nur einen Weg, ihn aus der Welt zu schaffen.
Kurz entschlossen schnappte sie ihre Handtasche vom Schreibtisch, verließ das Zimmer und eilte die Treppe hinunter.
„Nanu?“, hörte sie Aaliyah von der Küche her ausrufen, als sie in ihre Schuhe schlüpfte. „Sie gehen weg?“
Da Lena das Haus in den vergangenen Tagen kaum einmal verlassen hatte, erschien ihr die Frage gerechtfertigt. Was nicht bedeutete, dass sie auch Aaliyahs Neugier befriedigen wollte.
„Ja“, sagte sie daher nur. „Warten Sie nicht mit dem Essen auf mich!“
Mit diesen Worten war sie auch schon zur Hintertür hinaus. Im nächsten Moment saß sie in ihrem Wagen, ließ den Motor an und legte den Rückwärtsgang ein, um zu wenden.
Sie würde mit Stephen sprechen – und zwar auf der Stelle!
Gleich mehrere Lieferwagen parkten vor dem zweistöckigen Gebäude, in dem Stephen wohnte. Arbeiter in blauen Overalls luden Stühle aus dem Laderaum eines der Fahrzeuge, während ein anderes offenbar zu einem Cateringunternehmen gehörte. Männer in uniformartiger Kellnerkleidung trugen nacheinander mehrere Rechauds, silberne Servierplatten und Glasschalen in den Garten hinter dem Haus.
Lena stellte ihren Wagen neben dem des Möbelverleihs ab und stieg aus. Irritiert runzelte sie die Stirn, als ihr die weißen Luftballons auffielen, die überall festgebunden waren – an den Stützpfeilern der Veranda, am Türrahmen, den Fenstern, dem kleinen Erker im Obergeschoss. Außerdem war alles mit weißen Blumen dekoriert. Rosen, berichtigte sie sich selbst sofort. Nicht einfach nur Blumen, sondern Rosen.
Wie es schien, war sie mitten in die Vorbereitungen für eine Feier geplatzt. Es war offensichtlich ein ungünstiger Zeitpunkt, um Stephen aufzusuchen. Doch Lena wusste nicht, ob sie noch einmal den Mut aufbringen würde, es zu tun, wenn sie jetzt ging.
Mit heftig klopfendem Herzen und schweißnassen Händen erklomm sie die Stufen zur Veranda und hob die Hand, um an die Tür zu klopfen – genau in dem Moment, als diese von innen geöffnet wurde.
Lena blinzelte irritiert, als sie sich einer hübschen blonden Frau mit strahlenden blauen Augen gegenübersah.
Die Fremde wirkte mindestens ebenso überrascht. „Ja, bitte?“, fragte sie und hob eine Braue. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Ja“, entgegnete Lena nach kurzem Zögern. „Ich möchte zu Stephen Alistair. Ist er zu Hause?“
„Sie sind sicher wegen der Kutsche hier, nicht wahr?“ Mit einem entschuldigenden Lächeln gab sie den Weg frei, sodass Lena eintreten konnte. „Ich weiß, es ist sehr kurzfristig, und mir ist klar, dass Sie eine lange Warteliste haben, aber …“ Sie seufzte inbrünstig. „Ach, ich habe immer schon davon geträumt, in einer Pferdekutsche von der Kirche zur Hochzeitsfeier gefahren zu werden …“
Lena verstand überhaupt nichts mehr. Eine Hochzeitsfeier auf Stephens Grundstück? Was hatte das zu bedeuten? Und wer war diese Frau?
„Mein Verlobter ist sicher bereit, Ihnen einen Extrabonus zu zahlen, wenn Sie mir diesen kleinen Wunsch erfüllen. Sie haben ja keine Vorstellung, wie großzügig mein Stephen ist, wenn es um mein Glück geht …“
„Ihr Verlobter?“ Ungläubig starrte Lena die junge Frau an. Ihr Gehirn versuchte noch immer zu verarbeiten, was sie da gerade gehört hatte.
Stephen würde diese Frau heiraten – und zwar schon sehr bald, so wie es aussah. Sie waren miteinander verlobt, und das sicher nicht erst seit gestern. Mein Gott, das … Lena schluckte hart.
Ob die arme Frau ahnte, dass Stephen sie schon vor der Hochzeit betrogen hatte? Und nicht nur sie, sondern auch Lena selbst – wenn schon nicht körperlich, so doch zumindest unter moralischen Gesichtspunkten. Er hatte niemals auch nur mit einem Wort erwähnt, dass es eine Frau in einem Leben gab. Ganz im Gegenteil:
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