Wo die Nelkenbaeume bluehen
Patrick.
„Ach, wir haben schon schöne Zeiten hier erlebt“, schwärmte Ngabile. „Zu schade, dass es damit bald vorbei sein wird.“
„Nun mal den Teufel mal nicht gleich an die Wand“, wandte Aaliyah ein. „Es stimmt zwar, dass es nicht besonders gut für uns aussieht, aber irgendwie werden wir schon verhindern, dass die Farm diesem Engländer in die Hände fällt.“
„Entschuldigen Sie bitte.“ Lena räusperte sich angestrengt. „Sie haben mir heute Mittag ja schon erklärt, dass dieser Hotelier hier ein Luxushotel errichten will. Was ich nicht verstehe: Warum sollte ihm das gelingen? Ich meine, Rafe Bennett wird die Farm doch sicher jemandem hinterlassen haben.“
„Natürlich“, entgegnete Ngabile seufzend. „Und zwar uns allen.“ Als Lena sie erstaunt anschaute, zuckte sie die Schultern. „Ja, er hat die Farm all seinen Mitarbeitern gemeinsam vererbt. Allerdings gibt es da ein Problem, denn die Farm ist bis unter die Dachkante verschuldet. Kurz vor seinem Tod hat die Bank Mr Rafe den Kredit gekündigt und eine Zwangsversteigerung in die Wege geleitet.“
„Aber dagegen muss man doch vorgehen können“, sagte Lena. „Immerhin haben sich die Voraussetzungen durch Bennetts Tod doch vollkommen verändert. Haben Sie schon versucht, mit der Bank zu sprechen?“
Ngabile lachte. „Sicher – aber die lassen nicht mit sich reden. Die Zwangsversteigerung wird stattfinden. Und wir haben kein Geld, um dabei mitzubieten.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist, wie es eben ist. Die Geschäfte laufen schon seit Jahren nicht mehr. Der alte Rafe war so etwas wie ein Einsiedler, und von Geschäften hatte er nicht viel Ahnung. Das war auch der Grund, warum ich mich entschieden habe, mir eine andere Arbeit zu suchen. Die Spice Farm hat einfach keine Zukunft. Es ist bitter, aber was bringt es, sich etwas vorzumachen?“
„Und es gibt keine anderen Interessenten als diesen … Engländer?“
Aaliyah schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein. Schauen Sie sich doch mal hier um. Das Anwesen war früher einmal eines der größten und schönsten an der ganzen Ostküste, und die Bennetts lebten nicht schlecht von den Einkünften aus dem Gewürzanbau. Doch das ist lange her. Und spätestens seit dem Tod seiner Frau hat Mr Rafe die Dinge schleifen lassen.“
Lena nickte. Sie hatte ja gesehen, in welch schlechtem Zustand sich das Wohnhaus befand. Und das waren nur die Schäden, die gleich auf den ersten Blick auffielen. Was mochte sich noch alles unter der Oberfläche verbergen?
„Wer würde ein so heruntergekommenes Anwesen kaufen, wenn er nicht vorhat, alles abzureißen und etwas Neues auf dem Grund und Boden zu bauen?“, sprach Aaliyah weiter. „Dies ist kein reiches Land, Lena. Wer Geld hat, investiert es in den Tourismus, denn damit lässt sich heutzutage etwas verdienen. Ich verstehe das. Nur leider bedeutet es auch, dass wir alle hier unsere Arbeit verlieren werden.“
Nachdenklich starrte Lena ins Feuer. Nach einer Weile stimmte Ngabile wieder ein Lied an, und Aaliyah und die anderen stimmten leise mit ein. Der Gesang schien eine Geschichte zu erzählen, und obwohl sie die Worte nicht verstand, spürte Lena die tiefe Traurigkeit, die sie transportierten.
Sie selbst war auf eine schwer zu beschreibende Art und Weise zugleich traurig und euphorisch. Das alles erschien ihr wie ein seltsamer, exotischer Traum. Sie war nach Sansibar gekommen, um die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu suchen – und hatte sie tatsächlich gefunden. Hier saß sie nun am Feuer mit Menschen, die Andy in seiner Jugend allesamt gekannt hatte. Doch wie es aussah, würden sie sich schon bald in alle Winde zerstreuen, wenn dieser englische Hotelier die Spice Farm kaufte und ein Hotel an ihrer Stelle errichtete.
Irgendwie musste sie verhindern, dass es dazu kam – nur wie?
Du könntest die Farm selbst kaufen .
Es war nur ein Gedanke, aber er elektrisierte Lena. Warum eigentlich nicht? Als Begünstigte hatte sie nach Andys Tod die volle Summe aus seiner Lebensversicherung erhalten: zweihunderttausend Euro. Hinzu kamen die Rechte an seinen Büchern, die Andy ihr testamentarisch vermacht hatte. Seine Jugendromane waren zwar keine Bestseller gewesen, doch sie verkauften sich noch immer recht gut.
Mit dem Geld, das ihr zur Verfügung stand, konnte sie ein Leben in Wohlstand führen, ohne sich jemals Sorgen um finanzielle Dinge machen zu müssen, selbst wenn sie sich entschloss, ihre Arbeit als Lehrerin nicht wieder
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