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Wo die Nelkenbaeume bluehen

Wo die Nelkenbaeume bluehen

Titel: Wo die Nelkenbaeume bluehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Stevens
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ein Abenteuer stürzt, dessen Tragweite du heute noch gar nicht überblicken kannst.“ Er machte eine kurze Pause, um Lena Gelegenheit zu geben, über seine Worte nachzudenken, ehe er weitersprach. „Wenn du unbedingt eine Immobilie kaufen willst, die für dich eine Verbindung zu Andy besitzt, dann kauf doch das Haus, in dem sich eure Wohnung befand. Ich weiß zufällig, dass der derzeitige Besitzer es aufgrund eines finanziellen Engpasses abstoßen muss. Sicher würde er dir einen guten Preis machen.“
    „Du meint also, ich sollte nach Berlin zurückkommen?“
    „Nein – ich denke, dass du nie von hier hättest weggehen sollen!“
    Nachdenklich schaute Lena zum Fenster hinaus, nachdem sie das Gespräch beendet hatte. Sie fühlte sich hin- und hergerissen. Natürlich war Patricks Meinung ihr wichtig, doch da war auch diese leise, aber beharrliche Stimme in ihrem Kopf, die ihr einflüsterte, dass es ein großer Fehler wäre, nach Berlin zurückzukehren.
    Patrick wusste ja nicht, wie nah sie manches Mal am Abgrund gestanden hatte – im wahrsten Sinn des Wortes. In jener Nacht, kurz bevor sie den Entschluss gefasst hatte, nach Sansibar zu reisen, war sie auf die Balustrade der Dachterrasse ihres Wohnhauses geklettert und hatte nach unten in den verlassenen Hinterhof geblickt.
    Es hatte nur ein winziger innerer Ruck gefehlt, der Flügelschlag eines Schmetterlings … Schließlich war sie, erschrocken über sich selbst, zurückgetaumelt. Doch sie wusste auch, dass sie früher oder später wieder diesen Punkt erreichen würde. Und wer konnte schon sagen, ob sie noch einmal die Kraft aufbringen würde, sich zurückzuhalten?
    Nach diesem Vorfall war ihr klar geworden, dass sich etwas ändern musste. Sie hatte die Veränderung damit begonnen, zum ersten Mal nach Andys Tod sein Arbeitszimmer zu betreten.
    Alles war noch genau so gewesen, wie er es zurückgelassen hatte. Stapel mit Unterlagen auf dem alten Jugendstilschreibtisch, den sie auf einem Garagenflohmarkt in Prenzlauer Berg gekauft hatten. Überall pappten neonfarbene, mit seiner krakeligen Handschrift bekritzelte Notizklebezettel. Der Papierkorb quoll über, und im Drucker lagen, noch unangetastet, die Ergebnisse seiner letzten Recherchen.
    Beim Anblick des Klemmfotohalters, in dem zwei Bilder steckten, hatte der Schmerz ihr die Kehle zugeschnürt. Das eine Foto zeigte Andy und sie bei ihrem letzten gemeinsamen Ausflug an die Ostsee. Bei dem anderen handelte es sich um das grobkörnige Ultraschallbild, mit dem sie Andy an dem Tag, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr, überrascht hatte.
    Der Raum sah so aus, als ob Andy ihn gerade erst verlassen hätte und jeden Augenblick zurückkehren könnte. Lena wusste nicht, wie lange sie einfach nur reglos dagestanden hatte. Minuten? Stunden? Als sie sich endlich aus ihrer Starre löste, fing sie an, aufzuräumen. Dabei fielen ihr Andys Aufzeichnungen für das Projekt in die Hände, an dem er vor dem Unfall gearbeitet hatte.
    Recherchen über die Geschichte seiner Familie, Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend auf Sansibar. Unter den Sachen fanden sich alte Briefe, Karten und Zeitungsartikel. Fotos, die Andy als Jungen und als Teenager zeigten.
    Wie von einem Sog wurde Lena mitgerissen. Es war, als würde sie einen Teil von Andy kennenlernen, der ihr bis dahin fremd gewesen war. Natürlich hatte er ihr oft von seiner Zeit auf Sansibar erzählt. Doch es war ihr immer fern erschienen, wie ein Märchen aus tausendundeiner Nacht. Als sie nun seine Aufzeichnungen studierte, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass es real war. Ein fester Bestandteil von Andys Vergangenheit. In diesem Moment war ihr klar geworden, dass sie mehr darüber erfahren wollte.
    Ihre Stelle als Lehrerin am Lessing-Gymnasium war zwar nur mit einer Vertretungskraft besetzt worden, sodass sie im Prinzip jederzeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren konnte. Doch innerlich hatte Lena zu diesem Zeitpunkt bereits längst mit ihrem alten Leben abgeschlossen.
    Wie konnte sie sich, nach allem, was ihr widerfahren war, wieder vor eine Klasse stellen und so tun, als sei überhaupt nichts geschehen?
    Nein, das war schlichtweg unmöglich.
    Trotzdem rechnete sie es ihrem Schulleiter und direktem Vorgesetzten Herrn Bäumler, hoch an, dass er sie davon zu überzeugen versucht hatte, sich noch etwas Bedenkzeit zu lassen, als sie ihn anrief, um ihm ihre Entscheidung mitzuteilen. Doch Lena wollte mit offenen Karten spielen und keine Stelle besetzt halten, die sie

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