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Wo die Nelkenbaeume bluehen

Wo die Nelkenbaeume bluehen

Titel: Wo die Nelkenbaeume bluehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Stevens
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Dampfseglers aus Hamburg mitgebracht worden waren, wurden abgeladen und neue Waren, für Kaufleute in Deutschland bestimmt, in den Frachtraum gebracht.
    Eine halbe Stunde verstrich, eine Stunde, und Annemarie wurde bereits ganz mulmig zumute, als endlich doch noch ein Wagen auftauchte. Ein älterer Mann mit schütterem, grauem Haar kletterte vom Kutschbock und eilte auf Annemarie zu.
    „Annemarie? Annemarie Derksen?“ Als sie schüchtern nickte, atmete er erleichtert auf und ergriff Annemaries Hand. „Mein liebes Kind, bitte entschuldige, dass ich dich habe warten lassen. Die Nachricht deines Vaters hat uns verspätet erst vor wenigen Stunden erreicht.“ Sein warmes Lächeln ließ die letzten Reste von Befangenheit, die Annemarie empfunden hatte, verschwinden. „Eigentlich wollte Albrecht dich persönlich vom Schiff abholen, aber dazu blieb nun keine Zeit mehr. Ich hoffe, du bist nicht allzu enttäuscht, dass du mit deinem Schwiegervater vorlieb nehmen musst.“ Er schüttelte ihre Hand. „Ach Gott, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt: Ich bin Laurenz Rosenthal, Albrechts Vater.“
    „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Herr Rosenthal“, entgegnete Annemarie mit einem scheuen Lächeln.
    „Ach was, Herr Rosenthal! Laurenz für dich, mein Kind. Immerhin bist du ja, sobald Albrecht und du verheiratet seid, praktisch so etwas wie eine Tochter für mich!“ Jovial legte er ihr einen Arm um die Schulter. „Komm, setz dich schon einmal in den Wagen, während ich deine Truhen und den Schrankkoffer auflade. Du bist sicher erschöpft von der langen Reise und der Klimaumstellung.“
    Dankbar kam Annemarie seiner Aufforderung nach. Sie war froh. Ihr Schwiegervater schien wirklich ein netter Mann zu sein. Wenn sein Sohn auch nur ein bisschen Ähnlichkeit mit ihm hatte, dann konnte er doch gar nicht so übel sein – oder?
    Sie fuhren los, und Annemarie blickte neugierig zum Fenster hinaus. Die Stadt war so geschäftig wie ein riesiger Bienenstock. Enge Gassen wurden gesäumt von Häusern, bei denen es sich, anders als Annemarie erwartet hatte, keineswegs um niedrige Lehmhütten handelte. Zwei oder drei Stockwerke hoch ragten die Gebäude mit ihren steinernen Fassaden in die Höhe. Die oberen Stockwerke wurden umrahmt von Balkons mit prachtvoll geschnitzten Balustraden, von denen einige hervorspringende Gauben besaßen. Und manche der Eingangspforten waren regelrechte Kunstwerke, mit ihren filigranen Ornamentschnitzereien und bronzenen Beschlägen.
    Vor einem besonders imposanten Hauseingang zügelte Laurenz Rosenthal nach kurzer Fahrt die Pferde und lenkte sie auf einen mit Kopfsteinen gepflasterten Hinterhof.
    „Brr …“
    Annemarie stieß den Türschlag auf und stieg aus der Kutsche. Staunend blickte sie sich um. Mitten im Hof wuchs ein gewaltiger Gewürznelkenbaum, dessen Krone Schatten spendete. Seine Äste reichten bis an die Fassade des dreistöckigen Wohnhauses und über ein deutlich niedrigeres zweites Gebäude hinweg, das Kontor.
    Auch hier ging es geschäftig zu. Annemarie sah Menschen der verschiedensten Hautfarben. Einige trugen Bündel aus feinstem Tuch auf ihrem Rücken, wieder andere schoben Handwagen mit Säcken voller Kaffeebohnen oder kostbarer Gewürze. Und über allem lag der durchdringende Duft jener von der Sonne und über dem Holzfeuer getrockneter Blütenknospen, für die Sansibar auf der ganzen Welt bekannt war.
    Der Duft der Gewürznelke.
    Laurenz wurde von allen Arbeitern und Angestellten freundlich gegrüßt, und er grüßte zurück. Das Interesse der meisten aber galt Annemarie, der die ganze Aufmerksamkeit eher unangenehm war, wenn sie sie auch verstand. Immerhin würde sie den Sohn ihres Dienstherren heiraten und damit eines Tages selbst die Dame des Hauses sein.
    Mit einem knappen Winken rief Laurenz einen etwa vierzehnjährigen Jungen zu sich und wechselte einige schnelle Worte auf Kiswahili mit ihm, woraufhin dieser sofort im Haus verschwand und kurz darauf mit einigen Dienstboten zurückkehrte.
    „Wir mögen hier am anderen Ende der Welt leben“, erklärte Laurenz nicht ohne Stolz, „aber das bedeutet nicht, dass wir auf jeglichen Komfort verzichten müssten.“ Er deutete auf einen hochgewachsenen Weißen in Livree, dessen dunkles Haar mit viel Pomade zurückgekämmt war. „Dies ist Wilhelm, unser Butler, der uns vor vielen Jahren aus Hamburg in die Ferne begleitet hat. Solltest du irgendwelche Wünsche haben, mein Kind, dann wende dich vertrauensvoll an ihn.“

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