Wo die Nelkenbaeume bluehen
noch?“
„Du solltest wirklich mehr auf den neuesten Klatsch und Tratsch hören, meine Liebe. Wie dem auch sei, unsere kleine Henriette hat sich während ihrer Reise nach Tabora anscheinend zu einer aktiven Gegnerin der Sklaverei entwickelt“, erwiderte Celia höhnisch. „Man sagt, sie sei unter die Sklavenbefreier gegangen. Kannst du dir das vorstellen?“
Sprachlos starrte Annemarie sie an. Meinte Celia das wirklich ernst, oder versuchte sie lediglich, sie auf die Schippe zu nehmen? Doch Celias selbstzufriedener Gesichtsausdruck legte nahe, dass sie die Wahrheit sagte – und es genoss, Annemarie mit ihrem Wissen zu überraschen.
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Annemarie nach kurzem Zögern.
„Sag bloß, du hast wirklich noch nicht davon gehört!“ In Wahrheit war Celia deutlich anzusehen, dass sie sich über die anscheinende Unwissenheit ihrer Freundin freute. „Es handelt sich um eine Handvoll fehlgeleiteter Leute, die sich doch tatsächlich für die Freilassung sämtlicher Sklaven und die Abschaffung der Sklaverei im Allgemeinen einsetzen.“ Pikiert krauste sie ihr zartes Näschen. „Was stellen die sich vor, wer die Arbeit auf den Plantagen erledigen soll, wenn sie sich mit ihren abstrusen Ansichten durchsetzen? Zum Glück meint mein Jonathan, dass es dazu niemals kommen wird.“
Annemarie schluckte die scharfe Entgegnung, die ihr auf der Zunge lag, herunter. „So, so“, sagte sie stattdessen. „Nun, dein Jonathan wird es schon wissen …“
Um des lieben Friedens willen sprach sie lieber nicht aus, was ihr wirklich in den Sinn kam. Sie wusste, dass ihre Meinung zu dem Thema unter den Farmern und Plantagenbesitzern Sansibars auf wenig Gegenliebe stieß. Doch deren Argumente dafür, dass ganze Landstriche im Herzen von Afrika entvölkert und die einheimischen Menschen unter entwürdigenden Umständen bis nach Sansibar gebracht und dort an den Höchstbietenden verschachert wurden, erschienen Annemarie doch sehr fadenscheinig.
Woher nahmen Leute wie Jonathan Bennett – und leider auch Albrecht, ihr eigener Ehemann! – sich das Recht, ein Urteil über diese Menschen zu fällen? Sie als schmutzig, faul und minderwertig zu bezeichnen?
Sie war froh darüber, dass ihr Schwiegervater ganz ähnlich wie sie darüber dachte. Laurenz beschäftigte sowohl beim Hauspersonal als auch im Kontor einige Männer und Frauen, die er vor Jahren auf dem Sklavenmarkt von der Stadt gekauft und ihnen anschließend die Freiheit geschenkt hatte. Niemand konnte sich loyalere Mitarbeiter wünschen als diese Leute. Doch Albrecht, der seinem Vater leider in kaum einem Punkt ähnelte, hielt dieses Vorgehen für eine schreckliche Vergeudung von Geld und Ressourcen.
Annemarie war beinahe sicher, dass Celia und ihr Ehemann die Dinge ganz ähnlich sahen. Und da sie auf der Plantage zu Gast war, wollte sie einen Streit möglichst vermeiden.
„Und woher weißt du, dass Henriette in diese Dinge verwickelt ist?“
„Weil ich sie selbst gesehen habe!“, erwiderte Celia. „Vor ein paar Tagen war sie hier auf der Farm und hat große Reden geschwungen und versucht, die Neger gegen uns aufzustacheln – erfolglos zum Glück. Unser Aufseher, George Maguire, hat unseren Sklaven Respekt eingebläut. Von denen traut sich keiner, auch nur an Flucht zu denken!“ Sie lachte, so als hätte sie etwas sehr Komisches gesagt. „Aber wo sollten die auch hin? Ohne eine führende Hand sind diese Leute doch kaum in der Lage, sich im Leben zurechtzufinden.“
Annemarie verzog das Gesicht, entgegnete aber nichts. Was Celia da von sich gab, waren typische Argumente der Sklavenbefürworter. Doch in Wahrheit ging es ihnen nicht darum, für irgendjemanden eine anleitende oder gar schützende Funktion zu übernehmen. Es ging darum, für die großen Plantagen und Farmen auf der Insel billige Arbeitskräfte zu bekommen.
Offenbar verbarg sie ihre Abneigung nicht so gut, wie sie gehofft hatte. „Du bist wohl nicht dieser Ansicht“, stellte Celia ärgerlich fest. „Sag bloß, du bist auch eine von denen !“
Annemarie schüttelte den Kopf. Sie hatte über dieses Thema schon einige hitzige Diskussionen mit ihrem Schwiegervater geführt. Am Ende hatte sie ihm zustimmen müssen, dass die Sklavenbefreiung ohne jeden Sinn und Verstand, nur um ihrer selbst willen, für die Betroffenen kaum einen Nutzen bringen würde.
Wohin sollten die Menschen gehen? Die Dörfer, in denen sie einst gelebt hatten, existierten nicht mehr. Auf ihrem Streifzug durch
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