Wo die Nelkenbaeume bluehen
hindurch konnte sie Albrecht sehen, dessen rundliches Gesicht vor Zorn gerötet war.
„Wenn du glaubst, dass du mich noch länger klein halten kannst, hast du dich geschnitten, Vater!“ Drohend stach er mit dem Finger in Laurenz‘ Richtung. „Lass mich endlich ans Ruder!“
Wütend ließ Laurenz eine Faust auf die Tischplatte seines Schreibtisches niedersausen. „Nein!“
Plötzlich wurde Albrecht ganz ruhig. Der Blick, den er seinem Vater jetzt zuwarf, ließ Annemarie einen Schauer den Rücken hinunterrieseln.
„Das wirst du noch bereuen“, sagte er leise. „Du wirst schon sehen, was du davon hast, Vater!“
Annemarie atmete scharf ein. Ganz gleich, wie wütend Albrecht auch auf seinen Vater sein mochte – mit einer solchen Drohung ging er schlichtweg zu weit. Und als er sich nun umdrehte und mit großen Schritten auf die Tür zukam, hinter der sie stand, sah sie den Hass, der in seinen Augen blitzte, und erschrak bis in die Tiefen ihres Wesens. Er erschütterte sie so, dass sie erst im letzten Moment daran dachte, dass es vermutlich besser war, wenn ihr Ehemann sie nicht hier erwischte.
Hastig zog sie sich zurück und versteckte sich hinter einem der beiden Palmenkübel, die neben der Tür standen. Albrecht hätte sie sicherlich trotzdem entdeckt, wenn er in ihre Richtung geblickt hätte. Doch er war viel zu aufgebracht, um irgendetwas zu bemerken. Mit wütenden Schritten durchquerte er den Korridor und polterte die Treppe zum Erdgeschoss hinunter.
Erleichtert atmete Annemarie auf. Wobei Albrechts Stimme immer wieder in ihrem Kopf widerhallte. „Das wirst du noch bereuen! Du wirst schon sehen, was du davon hast, Vater!“
Sie zweifelte nicht daran, dass es ihrem Mann ernst mit dieser Drohung gewesen war. Die Frage war nur, was er vorhatte …
Gedankenverloren stand sie da und starrte Löcher in die Luft. Sie war so in sich vertieft, dass sie Laurenz erst bemerkte, als er unmittelbar vor ihr stand.
„Na so was, Annemie!“ Er war nach der Hochzeit dazu übergegangen, sie bei ihrem Kosenamen zu nennen. Etwas, dass seinem Sohn im Traum nicht eingefallen wäre. „Warum versteckst du dich hinter dem Pflanzenkübel? Wolltest du zu mir?“
„Ich …“ Sie atmete tief durch. „Ja, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Laurenz, ich … habe den Streit zwischen Albrecht und dir mitbekommen.“
Lachend winkte ihren Schwiegervater ab. „Du machst dir deswegen doch hoffentlich keine Gedanken, mein Kind“, sagte er. „Weißt du, Albrecht ist schon seit Langem der Ansicht, dass ich ihn mehr in die Geschäfte der Firma einbinden müsste. Ich finde allerdings, dass er sich zunächst einmal seine Sporen verdienen muss.“ Er legte Annemarie einen Arm um die Schultern. „Nichts ist doch schlimmer als diese Bengel aus gutem Hause, denen immerzu alles auf dem Silberteller serviert wird. Albrecht wird von mir ebenso nach seinen Leistungen bemessen wie jeder meiner anderen Angestellten. Das mag ihm nicht gefallen, aber er wird sich damit abfinden müssen.“
Annemarie lächelte, schaffte es allerdings nicht, die Angelegenheit so locker zu sehen wie ihr Schwiegervater. Doch Laurenz wollte davon nichts mehr hören, und so ließ sie es für den Moment dabei bewenden.
„Erzähl mir lieber, was du mit mir besprechen wolltest“, forderte er sie auf.
„Oh“, sagte sie, und dieses Mal fiel ihr das Lächeln schon sehr viel leichter. „Ich möchte mir gern meine Sporen verdienen.“
Laurenz blinzelte überrascht. „Wie bitte?“
„Ich würde gern auch in der Firma mit anpacken, wenn du nichts dagegen hast.“
„Nun, warum eigentlich nicht?“ Ihr Schwiegervater zuckte die Schultern. „Dann erzähl mir doch mal, was du so alles kannst.“
Als Annemarie sich zwei Wochen später auf dem Weg zur Plantage befand, auf der Celia mit ihrem Ehemann lebte, hatte sie das Gefühl, dass sich ihr Leben langsam zum Positiven wandelte. Zwar zeigte Albrecht nach wie vor kein echtes Interesse an ihr, doch zu ihrer großen Freude war sein Vater auf ihre Bitte eingegangen. Seit nunmehr zehn Tagen arbeitete sie in der Buchführung der Rosenthal Handelsgesellschaft, und es machte ihr großen Spaß – was sicher nicht zuletzt auch an ihrer netten Kollegin lag. Lieselotte Brenner war etwa in ihrem Alter und besaß, sowohl was das Aussehen als auch das Wesen betraf, große Ähnlichkeit mit Henriette Lüderitz.
Das war natürlich wunderbar, doch auf der anderen Seite führte es Annemarie vor Augen, wie schmerzlich sie ihre
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