Wo die Nelkenbaeume bluehen
das afrikanische Hinterland zerstörten die Sklavenjäger alles, was den Menschen etwas wert gewesen war. Brannten Hütten, ja ganze Dörfer nieder. Rissen Familien auseinander. Trennten Väter, Mütter und Kinder voneinander, bis es am Ende nichts mehr gab, für das es sich zu kämpfen lohnte. Nichts als das nackte Überleben.
Wenn man diesen Leuten wirklich helfen wollte, dann war mehr vonnöten, als sie einfach nur zu befreien und sie dann ihrem Schicksal zu überlassen.
„Nein“, entgegnete sie daher ausweichend. „Ich habe bisher noch nie etwas in dieser Richtung unternommen. Aber was ist denn nun aus Henriette geworden? Sie war hier?“
„Jonathan hat sie selbstverständlich davonjagen lassen.“ Celia hob missbilligend eine Braue. „Unter den gegebenen Umständen fühlte ich mich wenig bemüßigt, ihr unsere Gastfreundschaft angedeihen zu lassen.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Was weiter aus ihr geworden ist, weiß ich nicht. Vermutlich stiftet sie auf irgendeiner der anderen Farmen in der Umgebung Unfrieden.“
Annemarie hätte nur allzu gern mehr über Henriettes augenblicklichen Aufenthaltsort erfahren. Wie schön es doch wäre, persönlich mit ihrer Freundin über das zu sprechen, was ihr seit der gemeinsamen Ankunft auf Sansibar widerfahren war! Es aus zweiter Hand – noch dazu von Celia – zu hören, war schlicht und ergreifend nicht dasselbe. Doch leider erschien es ihr mehr als unwahrscheinlich, dass Celia mehr wusste, als sie bisher gesagt hatte. Dazu gefiel es ihr viel zu sehr, mit ihrem überlegenen Wissen vor Annemarie aufzutrumpfen.
Celia führte sie in einen nach der neuesten Mode eingerichteten Salon. Die lange Tafel, die das Herzstück des Raumes darstellte, war für den Nachmittagstee vorbereitet worden. Das feine Teeservice hatte Celias Ehemann vermutlich aus seiner Heimat mitgebracht, denn bei den hiesigen Händlern bekam man nichts, was auch nur ansatzweise dieser Qualität entsprach. Das Porzellan war so hauchdünn, dass es fast schon durchscheinend wirkte, und dazu mit kunstvollen blauen Ornamenten verziert.
„Bitte, nimm doch Platz“, sagte Celia und bot Annemarie den Stuhl am Kopfende der Tafel an. „Mary hat bereits alles vorbereitet.“
Annemarie setzte sich. Schweigen machte sich breit. Es war geradezu bedrückend still. Nur das Ticken der Standuhr und das leise Rascheln der Schürze des Mädchens – Mary, einer milchkaffeebraunen Schönheit, die verschüchtert den Kopf gesenkt hielt – waren zu hören.
Der Tee wurde eingeschenkt, und Annemarie war froh, dass Celia die Gelegenheit nutzte, mit ihren Prahlereien fortzufahren. Alles war besser als diese scheußliche Stille!
„Echter Darjeeling aus Britisch-Indien“, erklärte sie, während sich das dunkle Getränk mit leisem Plätschern in die Tassen ergoss. „Jonathan hat gute Verbindungen zur dortigen Kolonialregierung. Wenn du einmal etwas benötigen solltest, Tee oder Baumwollstoff, brauchst du mich nur danach zu fragen. Jonathan ist ein wunderbarer Ehemann, der mich auf Händen trägt. Wenn ich ihn darum bitte, wird er seine Beziehungen sicher auch für dich spielen lassen.“
Annemarie lächelte höflich. Sie glaubte allerdings nicht daran, dass sie Celias Angebot jemals in Anspruch nehmen würde. Auf keinen Fall wollte sie ihr und ihrem Mann einen Gefallen schuldig sein. So, wie sie Celia kennengelernt hatte, würde sie ihr eines Tages einen Strick daraus drehen.
Ein leises Rascheln kündigte das erneute Erscheinen des Dienstmädchens an, welches nun das Gebäck auftrug. In dem Moment, da es die Etagere auf dem Tisch abstellen wollte, hallte durch das geöffnete Fenster ein markerschütternder Schrei ins Esszimmer. Das Mädchen zuckte so heftig zusammen, als sei es geschlagen worden, und erbleichte. Annemarie sah das Unglück kommen, konnte jedoch nichts tun, um es zu verhindern: Die Etagere aus feinstem Worcesterporzellan entglitt Marys zittrigen Händen und schlug auf dem Esstisch auf, wo sie in tausend Scherben zerbarst.
Celia sprang von ihrem Platz auf und umrundete mit ganz und gar nicht damenhafter Hast den Tisch. „Pass doch auf, du dummes Ding!“, fauchte sie und versetzte dem vor Schreck wie erstarrten Mädchen eine schallende Ohrfeige.
Entsetzt starrte Annemarie die beiden so unterschiedlichen Frauen an.
Auf der linken Wange des Mädchens zeichnete sich deutlich ein roter Fleck ab, dort, wo Celias Schlag sie getroffen hatte. „Es tut mir leid, Mrs Bennett“, wisperte Mary. Sie hielt
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