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Wo die Nelkenbaeume bluehen

Wo die Nelkenbaeume bluehen

Titel: Wo die Nelkenbaeume bluehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Stevens
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wenig über diese Insel und die Menschen, die hier leben. Zeig mir das echte, unverfälschte Sansibar, abseits der ausgetretenen Touristenpfade.“
    Er nickte. „Einverstanden. Aber du solltest darauf vorbereitet sein, auch die dunklen Seiten zu sehen. Willst du das?“
    Sie nickte.
    Stephen ließ den Motor wieder an, und sie fuhren gut eine halbe Meile parallel zur Küste, bis er das Boot schließlich vom offenen Meer zurück in seichtere Ufergewässer steuerte. Der blütenweiße Sandstrand endete, und es folgte ein felsiger Abschnitt, bei dem der Wald teilweise bis direkt an die Wassergrenze reichte. Schließlich erreichten sie eine Bucht, die tief ins Inselinnere einschnitt und in der, geschützt vor Sturm und Flut, ein kleines Fischerdorf lag.
    „Jetzt ist Flut“, erklärte Stephen. „Bei Ebbe kann man mit den Booten nicht bis zum Anlegekai heranfahren, weil das Wasser bis weit über den Eingang der Bucht hinaus zurückweicht. Die Fischer müssen die Gezeiten genau abpassen, denn wenn sie zu spät auslaufen, verlieren sie den Fang eines ganzen Tages.“
    Neugierig ließ Lena ihren Blick umherschweifen. Schon aus der Entfernung wirkten die Hütten, die sie erkennen konnte, eher schäbig und heruntergekommen. Bei den meisten bestanden die Wände und Dächer aus rostigem Wellblech. Wenn die Sonne den ganzen Tag daraufknallte, mussten sich die Behausungen in regelrechte Treibhäuser verwandeln. Das war vermutlich auch der Grund, warum die meisten Menschen – vorrangig Kinder und Frauen, aber auch ein paar alte Männer – sich im Freien aufhielten.
    Sie erreichten den Anleger. Stephen stieg hinaus auf den wackligen Steg und band das Boot fest. Dann half er Lena dabei, ebenfalls herauszuklettern.
    Ihre Ankunft war nicht unbemerkt geblieben. Ein paar Kinder kamen auf sie zugelaufen. Sie schienen Stephen zu kennen, denn sie begrüßten ihn mit einem wahren Begeisterungssturm. Es wurde Kiswahili gesprochen. Lena schnappte zwar ein oder zwei Worte auf, die Aaliyah und die anderen ihr beigebracht hatten, doch davon, dass sie etwas von der Unterhaltung zwischen Stephen und den Kindern verstand, konnte nicht die Rede sein.
    Als er sich wieder zum Boot umdrehte und einen sandfarbenen Jutesack unter einer der Sitzbänke hervorzog, wurde der Jubel der Kinder noch frenetischer. Nun konnte auch Lena sich denken, was hier vor sich ging. Trotzdem erklärte Stephen mit einem leicht verlegen wirkenden Lächeln: „Sie wissen ganz genau, dass ich ihnen immer etwas mitbringe, wenn ich zu Besuch komme – was leider viel zu selten der Fall ist.“ Er seufzte. „Meine Arbeit lässt mir nur so viel Zeit, dass ich ein-, maximal zweimal im Monat herkommen kann.“
    „Und was tust du hier? Woher kennst du diese Leute?“
    „Mein bester Freund Yasin hat mit seiner Familie hier gelebt, bis mein Vater seinem Vater in unserem Hotel eine Arbeit besorgte. Gemeinsam mit Yasin bin ich oft hier gewesen, um seine zahlreichen Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen zu besuchen.“
    „Und wo ist dein Freund jetzt? Arbeitet er immer noch für dich?“
    Nach kurzem Zögern schüttelte Stephen den Kopf. „Er ist gestorben“, sagte er schließlich. „Aber das ist schon sehr lange her …“
    Lena senkte den Blick, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, dass er direkt in sie hineinschauen konnte. „Das tut mir leid“, murmelte sie.
    „Es ist immer tragisch, wenn ein junger Mensch sein Leben verliert“, entgegnete er, und Lena hatte das Gefühl, dass er nicht nur von seinem Freund sprach. „Noch dazu, wenn es so sinnlos vergeudet wird wie das von Yasin und …“ Er blinzelte, so als würde er aus einem dunklen Traum erwachen. „Aber das ist Vergangenheit. Es macht keinen Sinn, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die wir ohnehin nicht ändern können. Das Leben geht weiter – und es wäre doch ein Frevel, auch nur einen einzigen Tag davon zu vergeuden, findest du nicht?“
    Seine Worte berührten etwas tief in ihr. Sie mochte gar nicht darüber nachdenken, wie viele Tage sie in den vergangenen Monaten vergeudet hatte. Wie oft hatte sie die Stunden einfach so an sich vorüberziehen lassen und darauf gewartet, dass … Ja, worauf eigentlich? Wenn sie jetzt darüber nachdachte, wusste sie es selbst nicht so genau. Auf die Nacht ganz sicher nicht, denn die Nächte waren sogar noch schlimmer gewesen als die Tage.
    Worauf also dann? Darauf, dass der Schmerz endlich nachließ und sie wieder frei atmen konnte?
    Wenn es danach ging, wusste sie

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