Wo die Nelkenbaeume bluehen
Freundinnen, aber jetzt haben sie sich dummerweise in denselben Mann verliebt. Es ist doch immer dasselbe, oder nicht? Man kann sich noch so lange kennen, aber wenn die Liebe ins Spiel kommt, ist die Freundschaft vergessen.“
Die letzten Worte erschienen ihr ungewohnt sarkastisch. „War es bei dir und deinem Freund auch so?“
Nach kurzem Nachdenken schüttelte er den Kopf. „Nein, bei Yasin und mir lagen die Dinge ein klein wenig anders …“
Da er keine Anstalten machte, mehr zu sagen, ließ auch Lena das Thema fallen. Sie kannte Stephen noch nicht lange und gut genug, um weiter in ihn zu dringen, obwohl sie gern gewusst hätte, was zwischen ihm und seinem besten Freund vorgefallen sein mochte.
Eine ältere Frau, die ein grell gemustertes Kopftuch und ein schwarzes, kaftanartiges Kleid trug, kam auf sie zu, sprach Stephen auf Kiswahili an und klopfte ihm lachend auf die Schulter.
Er drehte sich zu Lena um. „Du hast es doch nicht eilig, oder? Das ist Yasins Großmutter Huriyeh“, erklärte er. „Sie hat uns zum Essen eingeladen.“ Als er ihren erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte, zwinkerte er Lena verschwörerisch zu. „Keine Sorge, ich werde dir schon sagen, was du essen kannst und wovon du besser die Finger lässt.“
Lena lachte erleichtert, dann drehte sie sich zu Huriyeh um, deutete eine kleine Verbeugung an und verwendete einen der wenigen Brocken Kiswahili, die sie inzwischen gelernt hatte: „ Asante – Danke sehr.“
Stephen war fasziniert davon, wie herzlich und begeisterungsfähig Lena sein konnte. Er hatte die junge deutsche Lehrerin zunächst für eine weltfremde Träumerin gehalten, um sie dann als eine selbstbewusste Frau kennenzulernen, die genau wusste, was sie wollte. Inzwischen war ihm klar, dass sie noch sehr viel mehr Facetten besaß, denn er entdeckte immerzu neue Seiten an ihr. Und sie waren einander gar nicht einmal so unähnlich. Beide hatten sie in der Vergangenheit Verluste erlitten, die ihr Leben für immer verändert hatten.
Sein Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen, wenn er daran dachte, wie verletzlich sie gewirkt hatte, als sie vom Tod ihres Verlobten erzählte. War er ein schlechter Mensch, weil er insgeheim froh darüber war, sie erst jetzt, als alleinstehende Frau, kennengelernt zu haben? Vielleicht – aber das änderte auch nichts an den Tatsachen.
Sie betraten Huriyehs Haus. Er war schon sehr oft bei ihr zu Gast gewesen. Früher, als Yasin noch lebte, und noch öfter nach seinem Tod. Es mochte albern sein, aber er fühlte sich irgendwie für die Großmutter seines verstorbenen Freunds verantwortlich.
„Setz dich“, sagte er zu Lena, und ein Lächeln huschte über seine Lippen, als er ihren leicht irritierten Gesichtsausdruck bemerkte.
Sie suchte nach einem Stuhl oder einem Tisch, doch so etwas fand man in den Hütten der Leute hier nicht. Überhaupt gab es keine Möbel, abgesehen von einem klapprigen Bett, das durch einen fadenscheinigen Vorhang vom Rest der Hütte, die im Grunde nur aus einem Raum bestand, abgetrennt wurde.
„Wohin?“, fragte sie nun und warf ihm einen ratlosen Blick zu.
Er deutete auf den mit bunten Teppichen ausgelegten Boden und erklärte grinsend: „Dorthin.“
Für die meisten Bürger großer Industrienationen war es ein Kulturschock zu sehen, wie die Menschen hier wohnten. Ihnen fehlte alles, woran sie im täglichen Leben gewöhnt waren. Dinge, die sie als selbstverständlich erachteten und zumeist schon gar nicht mehr wahrnahmen.
Doch Stephen musste zugeben, dass Lena sich eigentlich recht gut schlug. Sie ließ sich Huriyeh gegenüber nicht anmerken, was sie dachte, war freundlich, höflich und kooperativ. Ja, sie schaffte es sogar, sich einigermaßen elegant auf dem Boden niederzulassen, was, wie Stephen wusste, für viele Europäer nicht eben einfach war.
Huriyeh hatte Pilaw mit Kurkumasauce gekocht, dazu gegrilltes Hühnchenfleisch, und überreichte ihnen je eine Portion in einem Blechschälchen.
Er bemerkte Lenas fragenden Blick und nickte unauffällig. Die Speisen waren unbedenklich, denn der Gewürzreis und die Soße waren gekocht, und das Fleisch gut durchgegart. Dazu gab es – zur Feier des Tages – für jeden eine Flasche Stoney Tangawizi, eine Ingwerlimonade, die in vielen afrikanischen Ländern zu kaufen war.
Neugierig beobachtete Stephen, wie Lena von den Speisen kostete. Ihre Augen weiteten sich, und ihr Gesicht nahm einen schwärmerischen Ausdruck an. „Mmmmh“, stieß sie begeistert hervor. „Das
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