Wo die Nelkenbaeume bluehen
jemand!“
Im selben Moment trat Celia auf die Terrasse hinaus. „Annemarie, was tust du da?“, fragte sie und schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
„Ich … ich habe etwas verloren“, erklärte sie hastig. „Meinen Kettenanhänger. Er muss hier irgendwo sein …“ Sie gab vor, weiterzusuchen.
Celia räusperte sich. „Entschuldige bitte, aber meinst du den Anhänger, der an der Kette hängt, die von deinem Hals baumelt?“ Sie deutete auf das filigrane goldene Kreuz, das Annemarie vor ihrer Abreise von ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte.
„Oh … ja, ich …“ Annemarie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Ich glaube, mir bekommt die Hitze einfach nicht“, stöhnte sie. „Könnte ich vielleicht etwas Wasser bekommen?“
Celia seufzte und rief nach dem Mädchen. Als dieses nicht sofort auftauchte, ging sie selbst, um nach dem Rechten zu sehen. Kaum war sie fort, da tauchte Henriettes Gesicht wieder aus dem Schatten auf. „Es ist zu gefährlich so“, wisperte sie. „Auf der Rückfahrt sagst du deinem Fahrer, dass er anhalten soll, wenn ihr den alten Mangrovenbaum erreicht. Ich warte in der Nähe auf dich.“
Dann war sie wieder verschwunden – gerade rechtzeitig, ehe Celia mit dem Wasser zurückkehrte.
„Geht es wieder?“, fragte sie und bedachte Annemarie mit einem forschenden Blick.
Diese leerte das ihr überreichte Glas mit einem Schluck und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ich fühle mich immer noch ein bisschen seltsam.“
„Vielleicht solltest du besser nach Hause fahren und dich ein wenig hinlegen“, schlug Celia vor. Ihr war deutlich anzusehen, dass sie mehr um ihr eigenes Befinden besorgt war als um das ihres Gastes; sie wollte sich einfach nicht anstecken, sollte Annemarie tatsächlich krank sein. „Ich lasse deinen Kutscher anweisen, den Wagen vorzufahren.“
Annemarie nickte nur. Genau das hatte sie erreichen wollen. Denn sie fieberte dem Moment förmlich entgegen, in dem sie Henriette endlich in die Arme fallen konnte. Ihr war gar nicht klar gewesen, wie sehr sie ihre Freundin vermisste, bis sie sie vorhin wiedergesehen hatte.
Zwanzig Minuten und einen langen und wortreichen Abschied später saß sie hinter Khamisi in dem offenen Zweispänner und hielt nach dem Mangrovenbaum Ausschau, von dem Henriette gesprochen hatte. Ihr Herz fing an zu flattern, als er hinter der nächsten Wegbiegung auftauchte.
„Halten Sie bitte kurz an, Khamisi. Ich möchte mir etwas ansehen.“
Falls der alte Afrikaner sich über ihre Anweisung wunderte, so ließ er es sich nicht anmerken. Mit einem „Brrr“, brachte er die Pferde zum Stehen und half Annemarie beim Aussteigen.
„Soll ich Sie begleiten, gnädige Frau?“, fragte er, doch Annemarie schüttelte den Kopf.
„Nein danke, das ist nicht nötig. Machen Sie einfach eine kleine Pause. Es kann ein bisschen dauern.“
Obwohl sie Khamisi vertraute, denn er war ihr gegenüber stets freundlich und loyal gewesen, wollte sie kein Risiko eingehen und wartete, bis sie außer Sicht- und Hörweite war, ehe sie Henriettes Namen rief.
Als ihre Freundin kurz darauf aus dem dichten Unterholz trat, das auf der Gewürzfarm überall zu wuchern schien, lief sie auf sie zu und umarmte sie herzlich. „Henriette, was bin ich froh, dich gesund und wohlbehalten wiederzusehen!“
„Ich freue mich auch“, entgegnete Henriette, doch ihr strahlendes Lächeln verblasste rasch. „Entschuldige, dass ich dir nicht geschrieben habe“, sagte sie. „Es ist so viel passiert …“
„Celia hat schon angedeutet, dass du nicht bei deinem Vater in Tanganjika geblieben bist.“ Annemarie trat ein Stück zurück, ohne dabei die Schultern ihrer Freundin loszulassen, und musterte sie eindringlich. „Du siehst erschöpft aus“, stellte sie fest. „Erschöpft und abgezehrt. Stimmt es, dass du dich der Sklavenbefreiungsbewegung angeschlossen hast?“
Henriette nickte. „Nach allem, was ich gesehen habe, konnte ich gar nicht anders.“ Ihr Blick schien plötzlich weit in die Ferne zu reichen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie menschenverachtend mit diesen Leuten umgegangen wird. Man brennt ihre Dörfer nieder, schändet ihre Frauen und Töchter, reißt ganze Familie auseinander und lässt sie auf dem Weg zu den Sklavenmärkten den halben Kontinent durchqueren. Gut ein Drittel dieser armen Seelen überleben diese Tortur nicht. Gott allein weiß, ob sie nicht im Grunde die Glücklicheren unter ihnen sind.“
Annemarie nickte stumm. Was
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