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Wo die Nelkenbaeume bluehen

Wo die Nelkenbaeume bluehen

Titel: Wo die Nelkenbaeume bluehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Stevens
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los!“, verlangte Annemarie mit einer Vehemenz, die sie selbst überraschte. Woher sie die Stärke nahm, diesen Trunkenbolden die Stirn zu bieten, wusste sie nicht. Doch ihr war klar, dass sie, wenn sie auch nur einen Hauch von Schwäche zeigte, schon verloren hatte.
    Wieder zögerten die Männer. Einer – ein blonder Kerl mit fettigem Haar und einem runden Gesicht, das vor Schmutz starrte, dass die hellblauen Augen darin regelrecht zu leuchten schienen – raunte demjenigen, der Annemarie gepackt hielt, etwas in einer ihr fremden Sprache zu. Doch obwohl sie die Worte nicht verstand, konnte sie sich den Sinn denken. Der Blonde wollte die Sache abbrechen, aber davon wollte sein Kumpan nichts wissen.
    Während sie aufgebracht miteinander diskutierten, suchte Annemarie verzweifelt nach einer Möglichkeit, zu entkommen. Dann lockerte sich der Griff ihres Peinigers für einen Augenblick, und sie sah ihre Chance. Sie riss sich los und rannte, so schnell sie konnte.
    Doch sie war nicht schnell genug. Der Kerl, der sie festgehalten hatte, setzte ihr nach und versetzte ihr einen brutalen Stoß zwischen die Schultern, der sie hart zu Boden stürzen ließ.
    Annemarie schrie auf, als sie sich die Knie und die Handballen aufschürfte. Doch der Schmerz war nichts gegen den, den sie fühlte, als jemand sie an den Haaren packte und sie daran zurück zum finsteren Ende der Sackgasse zerrte.
    „Lasst sofort die Frau los!“
    Eine energische Stimme hallte durch die Gasse, und die Männer, die bis gerade noch vollkommen auf Annemarie konzentriert gewesen waren, wirbelten fluchend herum. Dass sie entdeckt worden waren, schien ihre Entschlossenheit ins Wanken zu bringen, auch wenn sie in der Überzahl waren.
    „Loslassen, sage ich! Sonst rufe ich die Männer von meinem Schiff zur Hilfe!“
    Der Blonde mit den wasserblauen Augen packte seinen Kumpan am Kragen und zog ihn mit sich. Als sein Gewicht von ihr wich, konnte Annemarie endlich wieder atmen. Sie schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Tränen der Erleichterung strömten über ihre Wangen.
    Sie hörte trampelnde Schritte, die sich hastig entfernten. Ein kurzes Gerangel. Dann wieder Schritte, die sich näherten.
    „Um Himmels willen, ist mit Ihnen alles in Ordnung?“
    Zwei Hände legten sich um Annemaries Schultern und halfen ihr dabei, sich aufzusetzen. Sie hob den Blick, um ihrem Retter in der Not zu danken, doch als sie ihm in die Augen blickte, versagte ihr die Stimme.
    Für einen winzigen Moment war ihr, als würde die Zeit stehen bleiben. Ihr Herz hämmerte, sie konnte fühlen, wie die Ader seitlich an ihrem Hals vor Aufregung pulsierte. Der Schrecken und das Entsetzen, das sie eben noch fest in ihrem Griff gehabt hatten, fielen mit einem Schlag von ihr ab.
    Wie war das möglich? Wie konnte es sein, dass sie so für einen Mann empfand, den sie überhaupt nicht kannte?
    Der Schock musste schuld daran sein. Annemarie hatte schon oft gehört, dass Menschen in Extremsituationen dazu neigten, irrationale Dinge zu tun. Sicher war das der Grund dafür, dass allein der Blick in seine Augen sie so aus dem Konzept gebracht hatte.
    Sie waren grau. Nein, nicht einfach nur grau. Sie besaßen die Farbe von geschmolzenem Blei und erinnerten sie an den Himmel über Hamburg an einem stürmischen Tag.
    Mit einem energischen Blinzeln versuchte sie, ihre Aufmerksamkeit von diesen faszinierenden Augen wegzulenken. Doch damit erreichte sie nur, dass sie nun seine markanten Gesichtszüge bemerkte. Die fein geschwungenen Lippen, das wellige schwarzbraune Haar …
    Aufhören! rief sie sich selbst zur Ordnung. Sie konnte nicht fassen, dass sie nach allem, was sie innerhalb der vergangenen Stunden erlebt hatte, für so etwas zu haben war. Vermutlich lag es eben gerade daran, dass sie so aufgewühlt war.
    „Vielen Dank“, stieß sie heiser auf Englisch hervor, der Sprache, in der sie ihn vorhin hatte sprechen hören, und ließ sich von ihm aufhelfen. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ohne Sie …“ Sie erschauderte.
    „Schon gut. Kommen Sie …“ Er stützte sie, als ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten. Seine Berührung verdrängte etwas von der eisigen Kälte, die von ihr Besitz ergriffen hatte.
    „Nathan Alistair, zu Ihren Diensten“, erklärte er mit einem gewinnenden Lächeln, das Annemaries Herz gleich wieder höherschlagen ließ. „Ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Offenheit, aber der Hafen ist nicht gerade das Pflaster, auf dem sich eine junge Lady wie Sie

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