Wo die Nelkenbaeume bluehen
behauptet, dass es einfach sein wird“, wiederholte sie mit Vorliebe den Spruch, den sie zu Anfang ihrer Schreibübungen so oft von Lena gehört hatte, und zwinkerte ihr zu. „Aber es lohnt sich.“
Das tat es wirklich, denn es ging voran, wenn auch sehr viel schleppender, als es Lena gefiel. Außerdem halfen ihr die Unterrichtsstunden und die abendlichen Gespräche beim Lagerfeuer, bei denen sie mehr über Andys Familie und die Vergangenheit der Gewürzfarm erfuhr, sich von Gedanken abzulenken, mit denen sie sich lieber nicht zu intensiv beschäftigen wollte.
Oder vielmehr von einer Person, die sich immer wieder in ihre Gedanken drängte, wenn sie gerade nicht auf der Hut war.
Stephen.
Etwa eine Woche nach der ersten Unterrichtsstunde hatte Aaliyah zum ersten Mal eine Freundin mitgebracht. „Das ist Rashida. Ihr Mann ist Mechaniker, aber zur Erntezeit hilft er uns auf der Farm. Sie hat ebenfalls als junges Mädchen die Schule verlassen müssen und kann nur wenig lesen und schreiben. Wären Sie vielleicht bereit, ihr ebenfalls Unterricht zu geben, Lena?“
Lena hatte nichts dagegen einzuwenden. Auch nicht, als ein paar Tage später Uzma hinzukam, deren Mann als Nelkenpflücker arbeitete, und kurz darauf ihre Schwester. Die Nachricht, dass auf der Bennett-Farm kostenlos Unterricht im Lesen und Schreiben erteilt wurde, sprach sich herum wie ein Lauffeuer. Und schon bald reichte der Küchentisch nicht mehr aus, um allen Schülerinnen Platz zu bieten.
Die Begeisterung, mit der die Frauen bei der Sache waren, und die Tatsache, dass sie nicht müde wurden, Lena für ihre Hilfe zu danken, gaben ihr nach langer Zeit zum ersten Mal wieder das Gefühl, für etwas gut zu sein.
Sie erinnerte sich noch gut an ihre letzten Tage in Berlin und wie sinnlos ihr alles vorgekommen war. Sansibar hatte alles verändert. Nun gab es morgens wieder einen Grund für sie aufzustehen. Andy konnte ihr nichts und niemand auf der Welt ersetzen – ebenso wenig wie ihr gemeinsames ungeborenes Kind. Doch das bedeutete nicht, dass sie deshalb einfach damit aufhören durfte, ihr Leben zu leben. Es gab so vieles, mit dem sie dazu beitragen konnte, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Und sie würde dafür tun, was immer in ihrer Macht stand.
„Lena?“
Etwas an der Art und Weise, wie Fadhil ihren Namen rief, ließ Lena von dem Rohentwurf einer Homepage aufblicken, die sie für Touristen gestalten wollte, die sich bereits zu Hause über ihr Reiseziel informierten. Sie stand auf und trat ans offene Fenster.
Fadhils Stimme klang besorgt. Nein, alarmiert.
Doch als Lena hinaus auf den Hof blickte, sah sie nur einen Lieferwagen, dessen Hebebühne, auf der sich eine Palette mit Kanistern befand, sich unter lautem Quietschen absenkte. Das musste die Düngerlieferung sein, die sie vor ein paar Tagen bestellt hatte. Schneller als erwartet.
„Ich komme runter“, rief sie Aaliyahs Mann zu, der, ein Klemmbrett in der Hand, neben dem Lieferwagenfahrer stand. „Kleinen Moment.“
Sie war bester Stimmung, als sie zwei Minuten später die Verandastufen hinuntereilte. Herr Behrent, der den Gewürzladen in Berlin-Mitte führte, hatte sich per E-Mail zurückgemeldet. Er war durchaus an einer Zusammenarbeit interessiert, sofern Lena ihm qualitativ einwandfreie Ware garantieren konnte.
Wenn sie ins Geschäft kamen und die Sache sich herumsprach … Lena war zuversichtlich, dass sich dies für die Plantage zu einer weiteren Einnahmequelle entwickeln konnte.
Doch als sie Fadhils Gesichtsausdruck bemerkte, verflog ihre gute Laune schlagartig. Etwas stimmte nicht.
„Was ist passiert?“, fragte sie.
Er kam auf sie zu und gab ihr das Klemmbrett. „Haben Sie das bestellt?“
Stirnrunzelnd überflog sie den Lieferschein und nickte. „Ja“, erwiderte sie. „Sie sagten doch, dass uns der Dünger ausgeht. Ich habe recherchiert und Preise verglichen und mich am Ende für einen neuen Lieferanten entschieden.“
Fadhil fluchte. „Warum haben Sie mich nicht um Hilfe gebeten?“
Lena schluckte. Es war eine der ersten geschäftlichen Entscheidungen gewesen, die sie vollkommen eigenständig und ohne jegliche Unterstützung getroffen hatte. Sie war überzeugt gewesen, das Beste für die Farm zu tun, als sie diese Bestellung aufgab. Doch Fadhils Verhalten ließ sie erahnen, dass sie etwas Wichtiges übersehen haben musste.
„Diese Brühe ist noch minderwertiger als die, die Mr Rafe verwendet hat“, erklärte Fadhil. „Wenn wir anfangen, die
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