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Wo die Nelkenbaeume bluehen

Wo die Nelkenbaeume bluehen

Titel: Wo die Nelkenbaeume bluehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Stevens
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runzelte Lena die Stirn. „Was ist denn los? Wenn ich Ihnen irgendwie zu nahe getreten sein sollte …“
    „Nein“, fiel Aaliyah ihr ins Wort. „Bitte, Sie haben überhaupt nichts falsch gemacht. Es ist nur … nun, ich kann es ganz einfach nicht.“ Offenbar stand Lena ins Gesicht geschrieben, dass sie immer noch nicht begriff. Schließlich seufzte Aaliyah. „Ich war gerade etwas mehr als anderthalb Jahre in der Schule, als meine Mutter krank wurde und schließlich starb.“ Sie zuckte die Schultern. „Danach bin ich nicht mehr hingegangen. Mein Vater brauchte mich. Irgendjemand musste die Arbeit meiner Mutter erledigen.“
    Nun endlich verstand Lena. Aaliyah konnte nicht lesen und schreiben – oder wenigstens nicht richtig.
    Sie war schockiert. Obwohl ihr bewusst war, dass die Zahl der Analphabeten auf Sansibar höher war als in ihrer Heimat, wäre sie doch niemals auf den Gedanken gekommen, dass Aaliyah eine von ihnen sein sollte.
    „Jetzt halten Sie mich sicher für dumm.“ Aaliyahs Stimme klang resigniert, doch es schwang auch ein wenig Trotz darin mit. „Aber ich habe immerhin dafür gesorgt, dass es Hashim an nichts mangelt. Er geht zur Schule und lernt dort alles, was er braucht, um es irgendwann einmal weiterzubringen, als es seine Mutter und sein Vater getan haben.“
    Lena schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke keineswegs, dass Sie dumm sind“, sagte sie. „Ganz im Gegenteil sogar. Ich war einfach nur überrascht, das ist alles.“ Sie neigte den Kopf ein Stück zur Seite. „Würden Sie es gern lernen?“
    „Was? Sie meinen Lesen und Schreiben?“ Sie senkte den Blick. „Glauben Sie, ich könnte das schaffen?“
    Ermunternd berührte Lena ihre Schulter. „Aber natürlich können Sie das“, entgegnete sie energisch. „Es ist im Grunde gar nicht so schwer, und“, sie lächelte, „hey, wozu bin ich schließlich Lehrerin? Also: Wenn Sie möchten, unterrichte ich Sie in Lesen und Schreiben – und Sie mich in Kiswahili.“
    Aaliyahs Augen wurden feucht. „Das würden Sie wirklich für mich tun, Lena?“
    „Natürlich“, entgegnete diese mit erstickter Stimme, denn vor Rührung hatte sie einen dicken Kloß in der Kehle. „Wenn sie möchten, fangen wir gleich damit an.“ Sie nahm Papier und Stift, schrieb ein großes und ein kleines A darauf, und schob es zu Aaliyah zurück.
    „Das kenne ich!“, rief diese begeistert. „Das ist ein A – mein Name beginnt damit!“
    Lena nickte. „Richtig“, lobte sie. „Und während ich weiter das Gemüse für das Mittagessen schnipple, üben Sie den Buchstaben so lange, bis Sie sich sicher damit fühlen.“
    Mit Eifer machte Aaliyah sich an die Arbeit. Ihr Gesichtsausdruck war hoch konzentriert, als sie – anfangs noch sehr ungelenk, dann aber immer flüssiger – den Anfangsbuchstaben ihres Namens auf das Papier malte.
    Lena lächelte. Es fühlte sich gut, es fühlte sich sinnvoll an. Und Aaliyahs Begeisterung erinnerte sie daran, warum sie ihren Beruf einmal so geliebt hatte. Warum sie ihn vermutlich noch immer liebte, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, ihn jemals wieder an einer normalen deutschen Schule auszuüben.
    Aber dies hier? Warum eigentlich nicht.
    Sie wusste, dass Analphabeten sich oftmals für ihre vermeintliche Dummheit schämten, obwohl mangelnde Intelligenz nur in den allerseltensten Fällen eine Rolle spielte. Zumeist lag es wie bei Aaliyah an den äußeren Umständen, dass eine Person das Lesen und Schreiben nicht beherrschte.
    Aber es war nie zu spät, um seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Und wenn Aaliyah es wirklich wollte, davon war Lena fest überzeugt, dann würde sie es auch schaffen, lesen und schreiben zu lernen.
    In den folgenden Tagen halfen sie sich gegenseitig beim Lernen. Aaliyah machte unglaublich schnell Fortschritte, während Lena sich bei ihren ersten Schritten in Kiswahili frustrierend schwertat.
    Es war eine Sache, eine Sprache zu erlernen, die eine Verwandtschaft mit der Muttersprache aufwies, wie es bei Englisch, Französisch und anderen europäischen Sprachen der Fall war. Doch Kiswahili glich weder im Satzbau, noch was Vokabeln und Aussprache betraf, auch nur im Entferntesten dem Deutschen. Manchmal kam Lena sich vor wie ein kleines Kind, das noch einmal ganz von vorne anfangen musste, sprechen zu lernen. Und irgendwie traf das ja auch zu.
    Wäre Aaliyah nicht gewesen, deren Enthusiasmus und Energie ansteckend wirkten, hätte Lena irgendwann vermutlich einfach aufgegeben.
    „Niemand hat

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