Wo die toten Kinder leben (German Edition)
klang ehrlich besorgt.
„Ich bin froh, dass Paul nichts Ernsthaftes passiert ist. Er schläft jetzt“, wich ich der Frage aus.
„Ich habe mich nicht nach Paul erkundigt. Ich wollte wissen, wie es Ihnen geht.“
Lorenzo zog einen der Stühle vom Tisch zurück und ich nahm darauf Platz. Er selbst setzte sich gegenüber.
„Wie es mir geht?“, wiederholte ich. „Gut. Ja, wirklich.“
Satorius war näher herangefahren. Er betrachtete mich eingehend. „Sind Sie verletzt?“
„Nicht der Rede wert.“
„Ich will nicht aufdringlich sein, Frau Steinbach. Aber Ihre Kleidung“ - der Professor wies auf meine Bluse. „lässt darauf schließen…“
Ich unterbrach ihn. „Ich bin nicht vergewaltigt worden.“
Lorenzo stand auf, strich im Vorübergehen behutsam über mein Haar und machte sich in der Küche zu schaffen. Er kam mit einer Flasche Cognac und drei Gläsern zurück. Er goss uns ein und wir tranken.
„Paul hat einen Anruf bekommen“, setzte ich stockend an. „Jemand behauptete, er sei ein Freund Bernhards. Er meinte, er habe Informationen für uns. Und wir sind zum Treffpunkt gefahren. Es war ein leer stehendes Lagerhaus. Ein Mann lotste uns hinein und dort wurden wir angegriffen. …Sie waren zu dritt.“
Der Alkohol tat mir gut. Lorenzo schenkte mir ungefragt nach.
„Sie wollten uns umbringen. Sie fingen mit Paul an. Sie schlugen auf ihn ein. Ich musste etwas tun… Ich konnte sie ablenken.“
„Wie habt ihr es da raus geschafft?“, erkundigte sich Lorenzo.
„Während die Kerle mit mir beschäftigt waren, fand Paul meine Waffe und… er verhielt sich dann sehr überzeugend.“
„Überzeugend?“, hakte Satorius nach.
„Paul hat mich gerettet.“
Satorius holte tief Luft. „So, wie Paul aussieht und nach Ihrer Schilderung zu urteilen, haben auch Sie das Ihrige getan, dass er diesen Angriff überlebt hat… Wir haben uns das nicht vorstellen können, auf was Sie beide da stoßen, Frau...“
„Ach“, meinte ich, „nennen Sie mich doch bitte Anne. Lorenzo und Paul machen das ohnehin schon – …wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
„Gerne. Anne.“ Satorius lächelte, dann wurde sein Gesicht sehr ernst. „Wir haben nicht gewusst, in welche Gefahr wir euch bringen, aber es geht nicht, dass wir die Dinge einfach so weiterlaufen lassen.“
„Was für Dinge meinst du?“
„In den letzten Jahren, in unserer Kirche. …Immer wieder gab es Skandale. Immer wieder gab es Übergriffe, Verbrechen. Und wenn wir dachten, wir hätten alles gelöst, und die Kirche könnte sich auf ihre eigentlichen Aufgaben besinnen, kam etwas Neues ans Tageslicht, etwas, was das Vorangegangene in den Schatten stellte. Und das Schlimmste daran: alle Anschuldigungen, alle Enthüllungen erwiesen sich als wahr.“ Er verstummte.
„Du sagst , unsere Kirche?“, fragte ich.
Satorius nickte.
„Aber du bist doch kein Geistlicher.“
„Nein. Gewiss nicht. Ich bin…“
„…Doktor der Medizin“, unterbrach ich ihn.
„Ja, das auch. Ich bin Doktor der Philosophie, der Medizin und Professor der Jurisprudenz.“
„Da bist du aber ganz schön rumgekommen!“
Satorius lächelte. „Ja, das sind wir, Lorenzo und ich. …Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb wir uns auf diese Stiftung eingelassen haben.“
„Welche Stiftung?“
„Du weißt doch Anne, dass du nicht bei der Kirche angestellt bist.“
Das überraschte mich. „Ich war davon überzeugt, dass mich das Dekanat angeheuert hat.“
„Nein, nein. Das Dekanat hat nur als Mittelsmann fungiert. Vor einigen Jahren ist eine großzügige Stiftung zugunsten der Kirche ins Leben gerufen worden und mich haben sie zu deren Verwalter ernannt. Nachdem wir in zahllosen Nächten darüber nachgedacht hatten, was wir mit dem vielen Geld anstellen, kamen Lorenzo und ich schließlich auf die Idee, dass wir der Kirche damit am besten helfen können, wenn wir gewisse Vorfälle, die sich in unseren Reihen abspielen, untersuchen und aufklären, bevor dies von offizieller Seite geschieht.“
„Dann heißt das im Klartext, ich arbeite für euch beide?“
Lorenzo trank von seinem Cognac, bevor er antwortete. „So könnte man es ganz grob sagen. Letztendlich steht die Stiftung im Dienst der Allgemeinheit und im Dienst der Kirche. Wir halten es einfach für sinnvoll, wenn wir gewissen Missständen selbst nachgehen.“
„Und Paul?“, fragte ich.
„Paul ist vom kirchlichen Dienst freigestellt. Er arbeitet derzeit ausschließlich für die Stiftung. …Wenn du es
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