Wo die toten Kinder leben (German Edition)
gesprochen hat, aber ich möchte meinen Job korrekt machen. Das Dekanat drängt auf eine schnelle Rückmeldung und dann könnten wir die zuständigen Herren gleich morgen früh informieren. Ich könnte mitteilen, dass ich Ihr Haus uneingeschränkt empfehlen kann – sowohl zum Mieten als auch eventuell sogar zum Erwerb – wenn das für Sie auch eine denkbare Option wäre.“
Wieder verständigte sich das Ehepaar mit einem kurzen Blick untereinander. „Es ist für uns überhaupt kein Problem“, beeilte sich der Metzger, mir zu versichern. „Ich hole nur schnell die Schlüssel, und dann können wir fahren.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und verließ eilig den Raum.
Paul und ich hatten uns ebenfalls erhoben. Wir waren schon fast am Hinausgehen, als ich erneut in meine Tasche griff und Frau Brandelmess ein Foto von Cornelia Heinze zeigte.
„Die kenne ich leider auch nicht“, meinte die Metzgersfrau bedauernd. „Sind Sie sich sicher, dass die Frau von unserer Pension gesprochen hat? Frauen waren bei den Kindercamps nie dabei.“
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D ie Besichtigung der Pension brachte keine neuen Anhaltspunkte. Herr Brandelmess führte uns durch alle Räumlichkeiten – angefangen von einer abgewirtschafteten, wenn auch sauberen Küche, über die einfachen sanitären Anlagen mit ihren vergilbten Fliesen, bis hin zu den Zimmern, die mit Stockbetten ausgestattet waren und in denen es leicht modrig roch.
Bei einem der beiden Seminarräume, die der Metzgermeister in den höchsten Tönen lobte, handelte es sich eindeutig um die Örtlichkeit, die Paul und ich von den Fotos her kannten. Obwohl der Raum völlig leer und besenrein war, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, als vor meinem inneren Auge die Erinnerung an einige Abbildungen der Kinder erschien, die in diesem Raum missbraucht worden waren. Ich blickte zu Paul, und sah, dass es ihm ähnlich ging. Er schien noch mehr Mühe als ich zu haben, den Schein zu wahren und sich nichts anmerken zu lassen.
Schließlich verabschiedeten wir uns von dem Metzger, mit der Zusage, uns am kommenden Tag bei ihm zu melden. Wir setzten uns in unseren Golf und sahen ihm nach, wie er in seinem Wagen davonfuhr.
Paul hielt sich die Stirn mit der Hand und hatte den Kopf von mir abgewandt. Ich ließ ihm die Zeit, die er brauchte und dann sagte ich: „Wenigstens können wir jetzt mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Cornelia und Bernhard nicht hier waren.“
Er nickte andeutungsweise. „Wenigstens das.“
Pauls Smartphone klingelte. Widerwillig kramte er es aus seiner Tasche und setzte es an sein Ohr. „Ja, natürlich. …Ja, ich werde kommen.“
„Was war?“, fragte ich.
„Sie haben Wittgen verhaftet und er will mich sehen. Heute noch.“
„Ach“, sagte ich. „Und warum das?“
Paul atmete scharf durch die Nase aus. „Er möchte beichten.“
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I n der Justizvollzugsanstalt waren abends um halb elf nur noch wenige Fenster beleuchtet. Wir meldeten uns am Eingang an. Mit der Bemerkung: „Passen Sie auf, dass Sie auf den Stufen nicht ausrutschen“, führte uns ein Beamter über eine imposante Steintreppe durch grelle Flure, in denen es nach scharfem Reinigungsmittel roch. Wir gelangten in eines der Besucherzimmer.
Ich kannte diese Räume aus meiner früheren Tätigkeit zur Genüge - und dieser hatte sich seitdem nicht verändert: ein abgewetzter Tisch, einige Plastikstühle, Glasbausteine zum Gang, an der Decke zwei vergitterte Neonröhren, Gitter auch am hochliegenden Fenster. Trostlose Hoffnungslosigkeit. Gleichgültige Kälte.
Wir hatten uns kaum gesetzt, als eine Tür uns gegenüber aufging und Kaplan Wittgen den Raum betrat. Er war größer als ich gedacht hatte, breit, mit fleischigen Schultern. Sein Gesicht wirkte schwammig. Seine Augen waren die eines gehetzten Tieres. Sie irrten durch den Raum, blieben an mir haften, sprangen zu Paul und wieder zu mir zurück. Mit einem Keuchen ließ er sich auf einen der Plastikstühle fallen.
„Sie sind Paul Wagner?“, fragte er.
Paul nickte.
„Was will diese Person hier?“ Er deutete auf mich.
Paul nahm sich mit der Antwort Zeit. „Frau Steinbach gehört zu mir.“
„Ich will aber nicht vor einer Frau sprechen. Sie hat hier nichts verloren“, brauste Wittgen auf.
„Sie bekommen entweder uns beide, oder keinen von uns.“
„Nein, nein, das ist nicht in Ordnung. Ich habe einen Priester verlangt. Ich habe geistigen Beistand angefordert. Und zwar von demjenigen, der mich laut Pfarrer Winkelmann
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