Wo die toten Kinder leben (German Edition)
einsilbig.
„Es könnte sein, dass Cornelia und Bernhard mit dieser ganzen Sache hier etwas zu tun hatten“, fuhr ich fort und bemühte mich um einen möglichst sachlichen Tonfall.
„Das ist ausgeschlossen“, brauste Paul auf. Er richtete sich kerzengerade auf, nur um gleich darauf mit schmerzverzerrtem Gesicht in seinen Sitz zurückzusinken.
„Ausgeschlossen? Denk doch mal nach. Wir haben die Selbstmorde verfolgt und ganz zufällig sind wir auf diese Pädophilen gestoßen, zu denen ganz zufällig noch euer obskurer Kaplan gehört.“
Der Blick von Paul wurde hart. Die Muskeln in seinem Gesicht spannten sich an. „Das ist nicht unser Kaplan. Das weißt du genau.“
Ich machte eine ungeduldige Kopfbewegung. „Ach, jetzt dreh mir die Worte nicht im Mund herum. So habe ich das nicht gemeint. Wir haben die Suizide überprüft und sind auf mehrere Personen gestoßen, die Kinder missbrauchen. Wie wir das weiter verfolgt haben, sind wir wieder dort angekommen, wo wir angefangen hatten. …Und Bernhard war begeisterter Hobbyfotograf, das dürfen wir nicht vergessen. Vielleicht hat er die Fotos sogar selbst geschossen.“
Pauls Miene war völlig fassungslos. „Es ist dir ernst damit! Du hältst es tatsächlich für möglich, dass unsere Suizidopfer eine aktive Rolle bei den Pädophilen gespielt haben!“
„Wir können es zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht völlig ausschließen.“
Paul schüttelte vehement den Kopf. Seine Stimme klirrte bei den nächsten Worten: „Das kann nicht sein! Das ist unmöglich! Das kann und will ich nicht glauben!“
Ich betrachtete Paul nachdenklich und meinte schließlich: „Dann lass uns in dieser Beziehung Sicherheit erlangen.“
28
D ie Eingangstür der Metzgerei Brandelmess war abgesperrt, aber ich sah im hinteren Bereich Leute in weißen Kitteln arbeiten. Ich klopfte an die Scheibe. Einer der Männer kam nach vorne, sperrte uns auf und meinte: „Wir haben aber schon geschlossen.“
Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf: „Das Dekanat schickt uns. Wir würden gerne den Chef sprechen.“
„Das Dekanat? Einen Moment bitte.“ Der Metzger verschwand nach hinten.
Paul stierte mich ungläubig an. „Wie kannst du nur immer so lügen, ohne rot zu werden?“
„Was heißt hier immer ? …Außerdem war das nicht gelogen. Ich habe die Wahrheit nur ein wenig … gedehnt . Du bist doch schließlich vom Dekanat. Und ich arbeite für dich.“
Ein untersetzter Mann mit Halbglatze kam uns entgegen. Er beäugte mich misstrauisch. „Sie sind von der Kirche?“
Ich machte einen Schritt zur Seite, damit er Paul und damit dessen weißen Kragen besser sehen konnte. Der Mann warf einen Blick auf Paul und sein Argwohn verschwand. Jetzt konnte ich antworten.
„Ja sicher“, sagte ich mit einem unschuldigen Lächeln.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ich darf mich zunächst vorstellen. Mein Name ist Steinbach und das hier ist Pater Wagner. …Sie müssen wissen, ich bin Immobilienmaklerin. Und das Dekanat hat mich beauftragt, für das katholische Bildungswerk gemeinsam mit Herrn Pater Wagner nach geeigneten Räumlichkeiten Ausschau zu halten. …Vielleicht haben Sie schon davon gehört? Das katholische Bildungswerk plant mehrtägige Schulungsreihen, die aufs Jahr verteilt sicherlich mindestens einmal im Monat stattfinden sollen. Und dafür werden neue Seminarräume sowie auch Gästezimmer benötigt, die die Kirche anmieten oder eventuell sogar ankaufen möchte.“ Ich machte eine Pause, um unbedarft fortzufahren: „…Nachdem uns gute Referenzen von einem unserer Kaplane über die Zusammenarbeit mit Ihnen vorliegen…“
“Oh!“, unterbrach mich der Mann. „Das war sicherlich Kaplan Wittgen“ Sein Gesicht hatte sich während meiner kleinen Ansprache von höflichem Interesse zu einem sehr geschäftsmäßigen Lächeln entwickelt. Als ich nickte und ihm dadurch bestätigte, dass wir die Informationen vom Kaplan hatten, strahlte er regelrecht.
„Dann möchte ich mich auch vorstellen“, meinte er eifrig. „Ich heiße Brandelmess. Walter Brandelmess. …Aber bitte, kommen Sie doch herein. Gleich hinten haben wir ein Büro. Meine Frau ist dort und macht gerade die Kasse. Das wäre doch ein guter Ort, um Ihre Fragen zu beantworten.“
Ich lächelte dem Metzgermeister zu und er geleitete uns durch den großzügigen Laden über einen engen Flur in ein kleines, aber zweckmäßig eingerichtetes Arbeitszimmer.
Eine ältere Frau mit vom Friseur sorgfältig gesträhnten
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