Wo die Toten ruhen - Psychothriller
gesagt, du hättest ihn weggeschickt. Es läuft an der hinteren Wand runter, Mom. Wahrscheinlich sickert es inzwischen hinter den Backsteinen runter in den Keller. Das wird schwer zu richten sein.«
Esmé wurde zornig. »Ich brauche deinen schicken Klempner nicht, obwohl ich dir natürlich dankbar bin für deine Hilfe. Aber ich habe dir schon gesagt, dass du die Sorge um mein Heim getrost mir überlassen kannst, okay? Ich bin nicht gänzlich nutzlos, weißt du.«
Ein gutes Dutzend Instandhaltungsprobleme lauerten stets wie Spinnen hinter der frisch gestrichenen Fassade des fünfzig Jahre alten Hauses in der Close Street, Whittier. Im Jahr zuvor hatte Ray eine Garage entworfen, um den durchhängenden Carport zu ersetzen. Im Hinterhof hatte er eine Gartenlaube gebaut, im Vorgarten etliches gepflanzt und Fensterläden an die Fenster angebracht, um das zu schaffen, was er scherzhaft »Bordstein-Chic« nannte. Das Haus sah gut aus, besser als die meisten alten Häuser. Doch der Schornstein zog nicht richtig. Die Böden waren so schief, dass eine Murmel von einer Ecke des Zimmers in die andere rollte.
»Ich könnte dir etwas Hübscheres bauen«, sagte Ray.
»Gib zu, dass du dieses Haus liebst.«
»Irgendwie schon. Die Küche. Der alte Herd. Auch wenn sich das Äußere verändert, bleibt das Innere gleich.«
Das sagte er immer. Obwohl er wünschte, sie würde umziehen, schöpfte er genau wie sie Trost aus den Dingen, die sich nicht veränderten: den rosafarbenen und grünen Badezimmerkacheln, den karierten Vorhängen über der Spüle in der Küche, dem Linoleum auf dem Boden des gemütlichen Zimmers. Dies war der Ort, an dem sie aufgehört hatten umzuziehen, und Ray hatte endlich ein paar Freunde gefunden.
Für sein eigenes Zuhause hatte er eine Attraktion entworfen. Architectural Digest hatte im Frühjahr einen Artikel darüber veröffentlicht. Natürlich waren in Rays Haus nicht genügend Lampen, fand Esmé. Die Sofas waren unbequem. Man konnte kein Buch herumliegen lassen, ohne dass es gleich unordentlich aussah. Zu groß und zu aufgeräumt, kein Wunder, dass Leigh Probleme damit hatte.
Aber hier konnte er entspannen. Zu Hause.
Leigh hatte einfach keine Beziehung zu Esmés Haus in der Close Street. Wie oft hatte sie wiederholt, man müsse die Installationen im Bad ersetzen, einen neuen Herd kaufen, das Dach isolieren, den alten Asbest entsorgen, die unebenen Wände im Keller neu aufmauern. Esmé hatte sich geweigert, und Ray hatte sich hinter sie gestellt. »Lass sie doch, schließlich braucht alles seine Zeit«, hatte er gesagt.
»Warum nicht ein wenig aufmöbeln?«, hatte Leigh beharrt. »Eine Sunburst Clock von George Nelson. Korbstühle. Lass uns die hintere Veranda richtig gemütlich gestalten, mit Netzen und farbigen Glaskugeln.« Das war kurz, nachdem sie und Ray geheiratet hatten, und ihre Hände hatten sich stets berührt, während sie sich aneinanderlehnten.
»Nein, danke, Leigh, obwohl du immer so viele hilfsbereite
Vorschläge hast, nicht wahr?«, hatte Esmé so freundlich wie möglich gesagt, obwohl diese Vorschläge sie maßlos ärgerten. »Ich komme nach Hause, nachdem ich den lieben langen Tag die Einkäufe anderer Leute abkassiert habe, und gieße die Gartenwicken am Zaun hinterm Haus. Ich lasse das Wasser ins Becken laufen, das sich sehr viel schneller füllt als bei euch in eurem schicken neuen Haus. Meine Toiletten vergeuden auch kein Wasser, und der eingebaute Wandheizofen mag rostig sein, aber bei Gott, er wärmt den Raum binnen kürzester Zeit.«
»Mit anderen Worten, rühr nichts an«, hatte Ray zu Leigh gesagt, ihr lächelnd in die Augen geschaut und ihre Hand gedrückt.
»Was für ein phantastischer Sommer«, sagte Esmé zu Ray, als er seinen Platz an dem Esstisch aus Vogelaugenahorn einnahm. Sie dachte bei sich: Er schläft nicht. Er sieht ungepflegt aus, als hätte er in den Kleidern geschlafen. Ihre Sorge überspielend, fuhr sie fort: »Meine Rosen blühen. Ist dir je aufgefallen, wie sehr Duft die Stimmung beeinflusst? Meine jedenfalls. Bestimmt gibt es wissenschaftliche Erklärungen dafür. Diese duften süß wie … das Meer in der Abenddämmerung.« Sie steckte ihre Nase in einen Strauß, der in einer mundgeblasenen Vase, die sie auf einem Flohmarkt erstanden und die an der Unterseite einen unsichtbaren Riss hatte, auf dem Tisch stand. »Sie duften wie eine Welt, die nach Vollkommenheit strebt. Besser als Weihrauch. Besser als Chanel No. 5. Feiner.«
Ray begann zu
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