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Wo die Wahrheit ruht

Wo die Wahrheit ruht

Titel: Wo die Wahrheit ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Heggan
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Inspektion fort. Ihr Blick wanderte vom Chintzsofa und den dazugehörigen Sesseln über die echte Tiffanylampe zu den farbenfrohen Teppichen hinüber, die über den Holzboden verteilt waren. An dem vertrockneten Bagel blieb ihr Blick hängen. “Habe ich Sie beim Lunch gestört?”
    “Das war mein Frühstück. Zum Lunch gibt es kalte Pizza. Sie sind gerne eingeladen.”
    Sarahs Sinn für Humor war kläglich unterentwickelt. Dennoch bog sich einer ihrer Mundwinkel ein wenig nach oben und täuschte den Anflug eines Lächelns vor. “Ich werde nicht lange bleiben.”
    Grace räumte ein Kunstmagazin von einem der Chintzsessel und legte es auf den Couchtisch. “Bitte setzen Sie sich doch. Kann ich Ihnen etwas anbieten?”
    “Nein danke.” Erst jetzt bemerkte Sarah den Koffer, den Grace bereits vom Wohnzimmerschrank heruntergeholt hatte. “Wollen Sie verreisen?”
    “Ich besuche meinen Dad in Napa Valley.”
    “Lebt er jetzt in Kalifornien?”
    “Er hat sich endlich seinen lang gehegten Wunsch erfüllt und ist Winzer geworden. Vor ein paar Jahren ist er in den Westen gezogen.”
    “Bitte grüßen Sie ihn von mir.”
    “Mach ich.” Wozu die ganze Höflichkeit, fragte sich Grace. Und wieso hatte Steven sie nicht vorgewarnt, dass seine Mutter ihr einen Besuch abstatten würde? Wenn er es überhaupt gewusst hatte. Sarah liebte es, Leute zu überrumpeln.
    “Grace.” Sarah zupfte sich sorgsam die schwarzen Lederhandschuhe von den Fingerspitzen. “Ich brauche Ihre Hilfe in einer kleinen Angelegenheit.”
    Das war eine weitere Überraschung. Sarah beschäftigte einen ganzen Tross von Leuten, die sich um ihre “kleinen Angelegenheiten” kümmerten: Anwälte, enge Freunde, Bedienstete. Und selbst wenn sie es nicht täte – Grace wäre der letzte Mensch, an den sie sich wenden würde. Seit ihrer ersten Begegnung hatte Sarah Grace deutlich spüren lassen, dass sie mit Stevens Wahl seiner zukünftigen Ehefrau nicht einverstanden war. Als Mitglied der Oberklasse sah Sarah in Grace nur eine kleine Angestellte aus der Mittelschicht. Niemals würde es ihr gelingen, eine echte Hatfield zu werden, die ihrem Mann treu zur Seite stand, für ein perfektes Heim sorgte, luxuriöse Partys gab und im Vorstand von einem halben Dutzend Wohltätigkeitsorganisationen saß.
    Dann, als Steven verkündet hatte, dass er Künstler werden und nicht in die Politik gehen wolle wie sein Vater und Großvater vor ihm, war Sarahs Zorn vollends entflammt. Wütend über die Entscheidung ihres Sohnes, eine jahrhundertealte Familientradition zu brechen, hatte sie ihm jegliche finanzielle Unterstützung gestrichen und ihm mitgeteilt, dass er sich die Mühe sparen konnte, ihr eine Einladung zur Hochzeit zu schicken.
    Doch auch Grace war glücklich darüber, dass es nie zu dieser Hochzeit gekommen war. Nicht nur die Zweifel an einer unstandesgemäßen Verbindung und die damit verbundene Gewissheit, niemals als vollwertig akzeptiert zu werden, hatten ihr zunehmend zu schaffen gemacht. Als Grace dann auch noch von Stevens Affäre mit einer jungen Künstlerin erfuhr, war sie fast erleichtert, die Verlobung wieder lösen zu können. Sarah hatte sie niemals wiedergesehen. Bis zum heutigen Tag.
    “Dreht es sich bei dieser 'kleinen Angelegenheit' vielleicht um Kunst?”, versuchte Grace das Gespräch in Gang zu setzen. “Denn dann, da bin ich mir sicher, wird Steven Ihnen viel besser helfen können als …”
    “Nein, kann er nicht.” Zum ersten Mal zeigte sich ein Flackern in Sarahs Augen. “Steven ist tot.”

2. KAPITEL
    E inen Moment lang verschlug es Grace die Sprache. Benommen von dieser Nachricht, sackte sie auf der Couch zusammen und blieb wie versteinert sitzen. Als sie schließlich ihre Stimme wiederfand, brachte sie kaum mehr als ein Flüstern zustande. “Tot? Steven? Wie?”
    “Er ist ermordet worden. Erschossen aus nächster Nähe – in seiner Galerie.”
    In Grace' Kopf drehte sich alles.
Ermordet. Erschossen.
Diese Worte ließen sich schwerlich mit der harmlosen Frohnatur von Steven in Zusammenhang bringen. Was konnte er angestellt haben? Es musste etwas Schreckliches passiert sein, wenn es einen solchen Gewaltakt nach sich zog.
    Die Antwort schoss ihr gleich darauf in den Sinn. “War eine Frau im Spiel?”, fragte sie zögernd.
    “Eine
verheiratete
Frau”, antwortete Sarah. “Sie heißt Denise Baxter. Anscheinend hat ihr Ehemann von der Affäre erfahren, Steven aufgesucht und ihm ins Herz geschossen.”
    Grace schlug die Hände vor

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