Wo die Wuerfel fallen
durchforsteten systematisch vor allem die Klosterbibliotheken nach antiken Texten und wurden massenweise fündig.
Neuzeit
Mit Neuzeit wird die Geschichtsperiode vom Ende des Mittelalters (ca. 1500) bis zur Gegenwart bezeichnet. Den Begriff Neuzeit prägte der Gelehrte Christoph Cellarius (Christoph Keller, 1638 – 1707) aus Halle, der die heute geläufige Einteilung der Geschichte in Antike, Mittelalter und Neuzeit vornahm. Vor Keller stellte man sich den Lauf der Geschichte als eine Abfolge von Weltreichen vor. Diese Gliederung findet sich bei Herodot, der bei den altorientalischen Reichen von der Abfolge Assyrer – Meder – Perser |94| ausging. Als deren Erbe rückte man das Reich Alexanders des Großen in den Mittelpunkt, dann das Römische Reich. Dem entsprach in der Religionsgeschichte auch die Götterfolge Marduk, Ahura-Mazda, Zeus, Jupiter. An die Stelle Jupiters trat dann natürlich der christliche Gott nach dem Siegeszug der christlichen Religion in der Spätantike. Als dessen »Stellvertreter auf Erden« sahen sich die oströmischen Kaiser, seit der
Translatio imperii
(= Übertragung des Reiches) durch den Papst auch die fränkischen Kaiser seit Karl dem Großen. Mit dem Übergang der Kaiserwürde auf den Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (Otto I., 912 – 973; ließ sich 962 vom Papst krönen) galt manchem deutschen Gelehrten des 17. Jahrhunderts der Lauf der Geschichte von ihren frühesten Anfängen an als vollendet.
Wie leicht ersichtlich ist, war diese Geschichtsauffassung eine Konstruktion. Kellers Verdienst war es, dies entlarvt zu haben, und im Prinzip folgt die Geschichtswissenschaft seither seiner Einteilung in Antike – Mittelalter – Neuzeit. Diese stellt allerdings eine starre Einteilung dar. Die »Translatio-Anschauung« stellte dagegen eindeutig die geschichtliche Kontinuität in den Vordergrund. Mit der Vielzahl moderner oder akademischer Begriffsbildungen (»Römische Geschichte«, »Zeitalter der Entdeckungen«, »Barock«, »Industrielles Zeitalter«) versucht man, die Vielfalt historischer Entwicklungen genauer zu erfassen, verstellt sich aber den Blick für die fließenden Übergänge, die Überschneidungen, die Parallelwelten, die es immer gab und weiter geben wird. In der Geschichtswissenschaft unterscheidet man für die Zeit nach 1789 außerdem: neuere Zeit (seit 1789), neueste Zeit (seit dem Ersten Weltkrieg), Zeitgeschichte (für die jüngste Vergangenheit).
Bücher, die Geschichte machten
Die Millionen
Marco Polo:
Il Milione
(1298 / 99)
Marco Polos (1254 – 1324) berühmte Reiseerzählungen haben wahrhaft Weltgeschichte gemacht. Auch wenn viele Details dieser Reisen und viele Details aus dem Leben des Venezianers nicht gesichert |95| sind, steht doch fest, dass er 1271 nach China aufbrach, die Gunst des Mongolenherrschers gewann, etwa zwanzig Jahre in China blieb und 1295 nach Venedig zurückkehrte. Das Buch entstand, als er sich 1298 / 99 in genuesischer Gefangenschaft befand und seine Erlebnisse einem französischen Mithäftling diktierte oder Notizen verfasste, die von anderen ausgeschmückt wurden. Es trug zunächst den französischen Titel
Le livre des merveilles du monde
(Das Buch von den Wundern der Welt). Bekannt ist es aber unter der Bezeichnung
Il milione (
deutsch:
Die Wunder der Welt)
, ursprünglich ein Spitzname, der sich zunächst auf Marco Polo selbst bezog, da er in Venedig dauernd von den »Millionen« des Großkhans sprach.
Entscheidend war die ungeheure Wirkung des Buches. Es wurde bald ins Italienische und Lateinische, dann auch in andere Sprachen übersetzt. Damals gab es noch keinen Buchdruck; es sind ca. 150 Abschriften als Handschriften in verschiedenen Sprachen nachgewiesen. Die Reiseberichte Marco Polos veränderten das Weltbild und die geografischen Vorstellungen der Europäer tiefgreifend. Die Schilderungen der sagenhaften Reichtümer »Catheys« (Chinas) und »Zipangos« (eines nicht genau lokalisierten Japans) regten nachhaltig die Fantasie an. Die gesamte »Indienfahrerei«, die etwa zweihundert Jahre später realisiert wurde, hat hier ihren geistigen Ursprung. Kolumbus zählte ein Exemplar des Buches zu seinen kostbarsten Besitztümern. Er nahm alles darin für bare Münze, sowohl die Schilderungen der mit Gold und Edelsteinen gepflasterten Straßen als auch die so exakt erscheinenden Entfernungsangaben (andere hatte er dem nicht minder »zuverlässigen« Werk des Ptolemäus entnommen), und berechnete den
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