Wo die Wuerfel fallen
aber durch ihren experimentellen und erfindungsreichen Stil auch ein Sprachkunstwerk. Fischarts Buch ist jedoch kein »Geschichtsbuch«, sondern ein Geschichtenbuch: Viele Episoden sind in der Tat übertrieben und »naupengeheurlich«, weswegen man hier eher von »Geschichtenklitterung« sprechen muss.
|109| Reformation & Gegenreformation
Die Strafe Gottes
Die Furcht vor göttlichen Strafen war lange Zeit für die Menschen sehr real. Da man jedes unerklärliche Phänomen mangels besseren Wissens für das Wirken Gottes hielt, war das naheliegend. So war die Vorstellung, eine Krankheit oder gar eine Seuche sei eine von Gott gesandte Strafe für begangene Sünden und schlechten Lebenswandel, sehr verbreitet – und zwar bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Gegen die Verrichtung frommer Werke als Sühne, etwa Gebete, Pilgerfahrten, Teilnahme an einem Kreuzzug, gewährte die katholische Kirche schon seit alters den Gläubigen den Nachlass der Sünden, die Vergebung Gottes. Im späteren Mittelalter konnte man diesen Ablass auch gegen Geldzahlungen erhalten. Das war natürlich ein eklatanter Missbrauch des religiösen Sühnegedankens, aber für viele geistliche Herren auch eine willkommene Gelegenheit, die Kasse zu füllen.
Thesenanschlag
Gegen den missbräuchlichen Ablasshandel und vor allem gegen die Aktivitäten des Ablasspredigers Johann Tetzel wandte sich der 3 4-jährige Augustinermönch Martin Luther (1483 – 1546) mit seinem Anschlag von 95 Thesen am Portal der Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517. Die Geschichte vom Thesenanschlag geht auf spätere Äußerungen des Reformators Philipp Melanchthon zurück. Historisch verbürgt ist sie nicht. Tetzels sinniger Werbespruch lautete angeblich: »Sobald der Gulden im Becken klingt, im hui die Seel in Himmel springt.« Damit war er seit Jahren in deutschen Landen unterwegs. Im Jahr vor dem Thesenanschlag hatte Luther die von Tetzels Auftraggeber, dem Mainzer Erzbischof Kardinal Albrecht verfasste »Instruktion« zu Gesicht bekommen, wonach die Hälfte der Einnahmen für die Finanzierung des Neubaus der Peterskirche in Rom gedacht war, der andere Teil für die Tilgung der Schulden, die Kardinal Albrecht bei den Fuggern hatte. Mit dem Geld der Fugger hatte sich der Hohenzollern-Spross Albrecht sowohl den Erzbischofsstuhl von Magdeburg (1513 im Alter von 23 Jahren) wie den von Mainz (1514) vom Papst gekauft. Als |110| Erzbischof von Mainz war Albrecht zugleich Kurfürst und Erzkanzler, der ranghöchste Würdenträger im Reich nach dem Kaiser. Der Mann wusste, was er wollte.Albrecht war aber auch ein bedeutender Förderer der Künste und bekannt für seine zahlreichen Konkubinen.Aus solchem Holz waren die Renaissancefürsten geschnitzt, die Luther als Gegner hatte, aber auch diejenigen, die ihn später schützten und stützten.
Die lateinisch abgefassten Thesen Luthers wurden rasch ins Deutsche übersetzt und auf Flugblättern in kurzer Zeit weit verbreitet. Sie fanden ein gewaltiges Echo.
Reform an Haupt und Gliedern
Das Wort von der »Reform an Haupt und Gliedern« gehört in den Zusammenhang früherer Versuche zur Kirchenreform. Die Forderung wurde schon 1311 / 1312 im Zusammenhang mit dem Konzil von Vienne erhoben. Damals war das Papsttum sehr geschwächt. Die Päpste befanden sich unter der Fuchtel der französischen Könige im »Babylonischen Exil« in Avignon. Die damaligen Kirchenreformer hofften auf eine Stärkung der Kirche durch grundlegende Verbesserungen. Daher forderten sie in einer lateinischen Vorbereitungsschrift für das Konzil, »dass alles, was an der Kirche Gottes zu verbessern und zu reformieren ist, verbessert und reformiert werden möge, und zwar an Haupt und Gliedern«:
tam in capite, quam in membris
. Auch Luther wollte mit seinen Thesen lediglich eine theologische Fachdiskussion und eine Reform der Kirche in Gang bringen. Doch dann wurde er von den Ereignissen überrollt.
Reformation
»Reformieren« (von lateinisch
reformatio
= Neugestaltung, Erneuerung) bedeutet im Sprachgebrauch der deutschen Renaissancezeit vor allem: gesund werden, sich erholen. Die Absicht der Theologen und Reformatoren war ursprünglich denn auch nicht die Schaffung eines neuen, eigenen Bekenntnisses, wie es dann unter dem Druck der politischen Verhältnisse geschah, oder gar die Gründung eigener Kirchen. Es ging vielmehr um das, was heute »Reform« genannt würde, eine Abschaffung von Missständen und Missbräuchen in der Kirche wie den Ablasshandel und
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