Wo die Wuerfel fallen
Depesche
Sehr skeptisch beobachtete man im Paris des
Second Empire
unter Kaiser Napoleon III., wie sich in den späten 1860er-Jahren Preußen endgültig zur Großmacht in Deutschland aufschwang. Die französisch-preußischen Spannungen eskalierten, als 1868 der Erbprinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen als Kandidat für den nach dem Sturz der Königin Isabella II. von Bourbon vakanten Thron in Spanien ins Gespräch kam. Frankreich fürchtete, von Hohenzollern im Norden und Süden in die Zange genommen zu werden. Auf den französischen Protest hin verzichtete Leopold auf die spanische Thronfolge und der preußische König Wilhelm I. sah damit die Angelegenheit als erledigt an. Doch Frankreich forderte Garantien auch für die Zukunft. Das diplomatische Tauziehen wurde von beiden Seiten von Manipulationen der öffentlichen Meinung begleitet, was zusätzlichen Druck auf den jeweiligen Gegner ausüben sollte – damals ein neues Element in der Politik.
Entscheidend wurde schließlich ein Telegrammbericht des Legationsrats Heinrich Abeken vom 13. Juli 1870 an Bismarck aus Bad Ems, wo sich Wilhelm I. zur Kur aufhielt. Dieser durchaus korrekte Bericht über die Unterredung zwischen dem preußischen König und dem französischen Botschafter Vincent Graf von Benedetti, der von Wilhelm I. den Verzicht auf die spanische Thronfolge auch in der Zukunft forderte, ist die »Emser Depesche«.
Bismarck kürzte den Bericht in Berlin so, dass das Auftreten des Botschafters als recht dreist und die Reaktion des Königs als notwendigerweise |159| brüsk erscheinen musste. Bismarck gab den so redigierten Bericht an die Presse, und die französische Öffentlichkeit war, wie erhofft, empört. Die Kriegserklärung der französischen Regierung an Preußen erfolgte am 19. Juli 1870. Bismarcks Rechnung, Preußen als Opfer französischer Aggression darzustellen, ging auf. In der öffentlichen Meinung galt Napoleon III. als Friedensbrecher. Die süddeutschen Staaten mussten sich mit Preußen solidarisieren und ebenfalls an dem Krieg teilnehmen.
Männer machen Geschichte
Der Historiker Heinrich von Treitschke (1834 – 1896) war seit 1873 Nachfolger auf dem Lehrstuhl des berühmten Leopold von Ranke an der Berliner Universität. Treitschke war zeitweise ein publizistischer Mitarbeiter Bismarcks und von 1871 bis 1884 auch Reichstagsabgeordneter. In seinem Werk verherrlichte er Preußen und trat für die deutsche Einigung unter der Führung Preußens ein. Damit traf er den Zeitgeist und prägte wiederum bei der jungen bürgerlichen Generation das nationale Geschichtsbewusstsein der kommenden wilhelminischen Ära. Treitschke, der über »Die Gesellschaftswissenschaft« promoviert hatte, war kein Anhänger der Vorstellung von gesellschaftlichen Kräften oder Klassen, die die Weltgeschichte bewegen. »Männer machen Geschichte«, schrieb er im ersten Band seiner
Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert
(1879). Das nationale Pathos und die antisemitische Tendenz Treitschkes (1879 formulierte er den verhängnisvollen Satz »Die Juden sind unser Unglück«) hatten entscheidende Wirkung auf den deutschen Nationalismus und insbesondere auch den Nationalsozialismus.
Hecht im Karpfenteich
Diesen Ausdruck verwendete Bismarck in einer Rede vor dem deutschen Reichstag am 6. Februar 1888: »Die Hechte im europäischen Karpfenteich hindern uns, Karpfen zu werden.« Jedem Zuhörer war damals klar, dass mit den »Hechten« Frankreich und Russland gemeint waren, die zu der Zeit das Gleichgewicht der europäischen Mächte durcheinanderbrachten. Das Sprachbild vom Hecht im Karpfenteich hat Bismarck allerdings nicht erfunden. Es stammt aus dem Aufsatz eines Historikers, der in den |160| 1860er-Jahren den französischen Kaiser Napoleon III. als »Hecht im Karpfenteich«, sprich als Unruhestifter in der europäischen Politik bezeichnet hatte.
Gründerzeit
Die Gründerzeit löste in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach 1848 das Biedermeier ab und war eine Phase großen wirtschaftlichen Aufschwungs – nicht nur was Kohle, Stahl und Eisenbahn anbelangt. Das Wort weist auf die Vielzahl der Unternehmens-, aber auch Vereinsgründungen hin. Zahlreiche Betätigungen wurden im Verein betrieben. Nicht nur für Gesang, Sport und die Kaninchenzucht, sondern insbesondere auch zu Bildungszwecken bildeten sich Vereine, etwa die Arbeitervereine. Die Bildungsbeflissenheit war eines der Hauptcharakteristika des 19. Jahrhunderts. Besonders fortschrittlich war in dieser
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