Wo du nicht bist, kann ich nicht sein
nicht wirken wie ein Kleinkind. Ich probierte einen Schluck, verzog das Gesicht, weil es so brannte, und gab das Zeug schnell weiter.
»Seid ihr jetzt ein bisschen lockerer, Mädels?«, fragte Gabe, während er einen Joint drehte. »Amüsiert ihr euch?«
»Ãh, ja. Danke.« Abby kicherte ein wenig. »Ist echt cool hier.«
»Die Kleine sieht nicht glücklich aus.« Ich merkte, dass Gabe mich anschaute. »Was ist denn los mit ihr? Mag sie fremde Männer nicht?«
»Die mag gar nichts«, sagte Claudia. Ich sah alle beide giftig an.
Gabe schmunzelte. »Mann, wenn Blicke töten könnten. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter.«
»Geht mir genauso«, gab ich zurück.
Jetzt lachte er. »Hier, das entspannt dich ein bisschen. Nimm, SüÃe. Soll ich dir zeigen, wie man das macht?« Er hielt mir den Joint hin.
»Ich rauche nicht«, sagte ich.
»Das ist keine Zigarette. Das ist was Besonderes. Gutes Zeug.«
»Ich weiÃ, was das ist, und ich will es nicht«, sagte ich. Ich zog die Schultern hoch und wünschte, ich wäre woanders. Zum Glück legte Hugh jetzt eine CD mit Achtzigerjahre-Hits ein. Gabe lieà von mir ab und bot Claudia den Joint an, Abby fing an, sich mit Brian zu unterhalten. Hugh nahm sich eine Dose Bier.
»Du wärst am liebsten gar nicht hier, oder?«, sagte er.
»Was dir nicht alles auffällt«, murmelte ich.
»Hör mal, Ros, du musst hier nicht rumsitzen und maulen, du kannst genauso gut versuchen, Spaà zu haben. Deine Freundin sagt, du stehst auf Kunst. Willst du dir vielleicht unsere Fotos ansehen?«
Das konnte ja nichts schaden. »Klar.«
Ich ging mit Hugh ins angrenzende Zimmer. Er setzte sich an einen Tisch und holte eine A3-Mappe hervor, die er bei einer Aufnahme von einem sonnigen Strand aufklappte. Ich blätterte die Bilder durch, betrachtete eine belebte StraÃe in Spanien, hübsche Plätze überall auf der Welt und Aufnahmen mit Models. Auf meinem Lieblingsbild war ein buntes Hausboot zu sehen, das an einem Flussufer festgemacht war. Neben dem Namensschild, auf dem Annabel stand, waren links und rechts Nixen. Ein weiÃer Windhund lag auf dem Deck und sonnte sich.
»Die sind gut«, sagte ich. »Hast du die gemacht?«
»Ja. Das Boot gehört meinem Dad, es liegt in Little Venice.«
Als er merkte, dass mir das nichts sagte, erklärte Hugh: »Das ist der Kanal in der Nähe von Maida Vale. Da wohnt er schon seit Jahren.«
»Oh. Bist du auf einem Boot aufgewachsen?«
Er lachte. »Um Gottes willen, nein. Ich geh nur ab und zu mal am Wochenende hin, mein alter Herr ist nicht so ganz klar im Kopf. Hier, ich zeig dir mal ein paar Bilder von Graham.«
Auf dem Tisch lag noch eine Mappe. Ich schlug sie auf. Die Fotos darin waren vergleichsweise langweilig und wirkten eher wie Amateuraufnahmen.
Ich sah, dass Hugh grinste. »Ziemlich scheiÃe, oder?«
Ich nickte. »Ich dachte, das hier wäre so was wie ein Atelier.«
»Schön wärâs. Graham hat sie nicht alle. Er ist nur ein Angeber, der meint, er könnte so tun, als wäre er fett im Geschäft. Ist abgedreht, als seine Tante aus den Latschen gekippt ist und ihm das Haus hier hinterlassen hat.«
»Ihr seid also gar nicht befreundet?«
»Graham ist ein Arschloch.« Hugh zündete sich eine Zigarette an. »Wenn ich Geld hätte, würde ich morgen ausziehen, aber er verlangt keine Miete, und so was kann man sich natürlich nicht entgehen lassen. Mit dem macht deine Freundin einen groÃen Fehler.«
»Claudia ist nicht meine Freundin«, sagte ich, »und er ist viel zu alt für sie.«
»Wenn es nur das wäre. Soll ich dir mal eine Geschichte erzählen?« Ohne meine Antwort abzuwarten, redete Hugh weiter. »Ich hab Brian im College kennengelernt, als ich meinen MA in Fotografie gemacht hab. Uns zog es beide weg, er war fertig, weil seine langjährige Freundin ihn sitzen gelassen hatte, und ich hatte keine Lust, mir sofort nach dem Abschluss einen Job zu suchen â also beschlossen wir, eine Rucksacktour durch Europa zu machen.«
»Was ist ein MA ?«
»Ein Master of Arts â noch ein Jahr mehr nach dem normalen Abschluss. Aber egal, ich wollte die Zeit im Ausland dazu nutzen, mir eine anständige Mappe zuzulegen, damit die Leute Lust drauf kriegen, mich einzustellen. Eine Weile lief alles bestens. Dann
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