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Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Titel: Wo du nicht bist, kann ich nicht sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Blaxill
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Anzeigentafel neben dem Kaffeestand ab, über die ich hinwegspähen und Jonathan im Auge behalten konnte. Mein Herz klopfte so heftig, dass ich fürchtete, es könnte mir aus der Brust springen. Alles das, worüber ich nachgedacht hatte – wie es sich wohl anfühlte, seine Haare zu berühren oder ihn zu küssen –, drängte sich in mein Bewusstsein, und mein letztes bisschen Selbstvertrauen zerbröselte. Es war schlimm genug, dass er dachte, ich wäre siebzehn und hübsch, aber es war ein Albtraum, dass Abby glaubte, er wäre mein Freund. Wie hatte es nur passieren können, dass es in meinem Leben plötzlich vor Lügen nur so wimmelte?
    Â»Entschuldigen Sie bitte«, hörte ich eine Stimme mit einem komischen ländlichen Akzent, und sofort war mir klar, dass es Jonathan war, der einen Mann angesprochen hatte, der auf seinen Kaffee wartete. »Wissen Sie, wie spät es ist?«
    Der Mann zeigte auf die Bahnhofsuhr, die nicht zu übersehen war.
    Jonathan lachte und wurde ein bisschen rot. »Ups. Ich brauch wohl eine neue Brille.«
    Hi, Jonathan. Ich bin Rosalind und leider der totale Feigling, aber ich wollte dich beeindrucken.
    Jonathan ging jetzt auf und ab. Fragte die Leute am Kaffeestand, ob es auf den U-Bahn-Strecken Verspätungen gegeben hatte. Wirkte langsam genervt.
    Â»Ros«, flüsterte Abby wieder, »was machst du jetzt?«
    Hi, Jonathan. Ich bin Rosalind, und ich finde, du siehst toll aus.
    Er holte sein Telefon raus. Meins vibrierte in der Tasche. Ich ging nicht ran.
    Hi, Jonathan. Ich bin Rosalind und ich könnte mich in dich verliebt haben.
    Â»Ros! Komm schon.« Abby zerrte an meinem Arm und zog mich hinter der Tafel hervor auf Jonathan zu.
    Â»Abby! Lass los!« Aber es war zu spät. Jonathan schaute flüchtig zu uns rüber – und für einen Augenblick trafen sich unsere Blicke. Ich erstarrte. Neben mir kicherte Abby nervös. Jonathan guckte sie komisch an und hielt sich das Handy ans Ohr. Nach ein paar Sekunden war es mir klar. Er hatte mich nicht erkannt! Er dachte, wir wären nur zwei alberne kleine Mädchen! Erleichterung und bittere Enttäuschung vermischten sich, während er sich umdrehte und uns den Rücken zukehrte.
    Â»Hey, Freya«, sagte er in sein Telefon. »Ich ruf nur ganz schnell durch. Wie war noch mal die Hausnummer von deiner Tante? – Siebenundfünfzig. Ridgemont Street? Okay. Und ich steige Richmond Station aus. – Bis gleich. Ich werd früher da sein, als ich dachte.« Er steckte das Handy wieder in die Tasche und nickte den Leuten am Kaffeestand zu. »Danke für Ihre Hilfe. Ich mach mich jetzt auf den Weg.«
    Â»Und ich dachte, du wartest auf jemanden«, sagte die Frau an der Kasse.
    Â»Dachte ich auch«, sagte Jonathan. »Anscheinend hat sie keine Lust gehabt.«
    Â»Ros!«, zischte Abby. Ich wollte schreien, dass ich sehr wohl Lust hatte, mehr als er sich vorstellen konnte, aber ich brachte kein Wort heraus und schaffte es erst recht nicht, zu ihm zu gehen.
    Â»Wenn Sie ein hübsches Mädchen mit langem braunen Haar hier warten sehen, könnten Sie ihr dann bitte sagen, sie soll Jonathan anrufen? Danke.« Jonathan ließ den Blick noch einmal durch den Bahnhof schweifen, dann ging er davon. Bevor er in der Menge verschwand, sah ich ihn das Handy wieder ans Ohr halten. Einen Augenblick später machte sich mein Handy bemerkbar. Es vibrierte ziemlich lange. Als es aufgehört hatte, nahm ich es raus und sah, dass Jonathan eine Nachricht hinterlassen hatte.
    Â»Ros, hier ist Jonathan. Ich hab zwanzig Minuten gewartet, und du bist nicht gekommen, also willst du dich wohl doch nicht mit mir treffen. Ich warte nicht länger und fahre zu Freya. Wenn du mich noch sehen willst, ruf mich an. Tschüss.«
    Â»Ros, lauf.« Abbys Stimme schien von ganz weit weg zu kommen. »Du kannst ihn noch einholen.«
    Â»Nein, kann ich nicht.« Ich fing an zu weinen. Die Tränen lösten Eyeliner und Wimperntusche auf und hinterließen tintige Streifen auf meinem Gesicht. Ich langte in meine Tasche und suchte vergeblich nach einem Tempo, und weil jetzt sowieso alles egal war, holte ich eins aus meinem BH und putzte mir damit die Nase.
    Was, wenn Jonathan nach dieser Sache überhaupt nicht mehr mit mir sprechen wollte?

5. Mittagspause
    Jonathan
    12.55 Uhr
    Was war das denn? Ich hätte nie geglaubt, dass Ros mich hängen lassen würde.

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