Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
von welchem Teil des Tieres sie stammen. Und so sitze ich in meinem Apartment, in meinem Sessel und lache, mit bebenden Schultern.
Am nächsten Tag scherzt ein Kollege bei der Zeitung: »Jetzt wird man bei dir zu Hause sagen, dass du durch die Wikinger zur Kannibalin geworden bist.« Ich stimme ihm zu und sage: »Wahrscheinlich werde ich des Landes verwiesen.« Darauf der Kollege: »Prima, dann wirst du der erste politische Flüchtling, der von Deutschland aus nach Island ziehen muss.«
Gern, denke ich. Denn in Wirklichkeit muss ich gehen. Meine Zeit in Island ist vorüber. Am nächsten Tag geht mein Flug. Als ich mich von meiner Mitbewohnerin Eeva verabschiede, erzähle ich ihr, dass alles großartig war und nur eines in diesem Land nicht geklappt hatte: Ich hatte Björk nicht getroffen. »Waaas?«, sagt Eeva entsetzt. »Die trifft man doch hier überall!«
TEIL 2
Rückkehr ins Land der Wunder
Ist Island noch, was es einmal war?
Heimkoma
Ich kehre heim
Natürlich hätte ich es mir denken müssen, und das nicht erst, als ich im Flieger sitze: Dass ich ein wenig nervös sein würde. Es ist der 29. März 2011 und ich kehre nach Island zurück. Ich darf ein Buch schreiben über meine Erlebnisse auf der Insel. Allerdings ist in der Zwischenzeit viel passiert. Im Oktober 2008 schlitterte Island in eine schwere Finanzkrise. Im Frühjahr 2010 sorgte es mit einem Vulkanausbruch für Aufruhr.
Das Flugzeug schwebt irgendwo über dem Atlantik. Neben mir sitzt ein Typ mit eisblauen Augen und roten Haaren. Er guckt Filme und bestellt Whisky. Ich lese Sein eigener Herr von Halldór Laxness und frage mich, was aus Island geworden ist und ob es sich sehr verändert hat.
Nur dreieinhalb Stunden dauert der Flug von Berlin nach Keflavík. Von unserer Hauptstadt auf diese wundersame Insel, die jedes Mal, wenn ich sie besuche, etwas in mir verändert. Ich fühle mich sorgloser, spontaner, energiegeladener und freier und frage mich, wie das angehen kann. Wie schafft es ein Land, das in mir auszulösen? Mag sein, dass es mit der vulkanischen
Energie zu tun hat. Mit einer Lebensfreude im Angesicht des brodelnden Erdfeuers. Sizilien hat einen ähnlichen Effekt auf mich. Und witzigerweise gibt es zwischen den beiden Inseln sogar Verbindungen. Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde etwa beginnt in Island, hört aber vor der Küste Siziliens auf: Das Expeditionsteam wird am Ende vom Stromboli ausgespuckt.
Doch da ist noch etwas. Es sind die Menschen, die mir in Island begegnet sind, und ihre Art, auf das Leben zu schauen. Auf der Insel im Nordatlantik weht ein Geist, der zugleich aus Enthusiasmus und Gelassenheit besteht. Aus Goldgräberstimmung und humorvoller Distanz. Aus der treuen Präsenz der Frage »Warum nicht?«, die dazu verleitet, Neues auszuprobieren, dicht gefolgt von der Überzeugung, dass am Ende alles irgendwie gut gehen wird. Neben der Redewendung »Þetta reddast« (Es rettet sich schon) gibt es noch eine ganz ähnliche. Sie heißt »það gengur bara betur næst« (Es geht besser das nächste Mal). Diese positive Einstellung ist für mich der Schlüssel zur isländischen Mentalität. So gut wie nie habe ich dort jemanden jammern hören.
Und noch etwas ist mir immer wieder begegnet: Die Liebe der Isländer für die Andersartigkeit ihres Landes und seiner Bewohner. Man fühlt sich wohl in der Rolle des schrägen Außenseiters, zelebriert sie sogar. Oder, um es mit einem Kinderbuch zu erklären, das jeder kennt: Man ist nicht wie Tommy oder Annika, sondern eher wie Pippi Langstrumpf. Man probiert alles aus. Genau das fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Vor allem, weil man diese Freiheit jedem zubilligt. Einmal fuhr ich mit einem Freund durch die Landschaft und fragte ihn, was das für ein Haus am Wegesrand sei, denn es war von einer auffälligen Mauer aus Steinskulpturen umgeben. »Eine Hühnerfarm«, sagte der Freund und fügte ganz selbstverständlich hinzu: »Ich schätze da hat ein Baggerfahrer seine künstlerische Seite ausleben dürfen.«
Es mag Zufall sein, aber nie habe ich in Island Sätze wie »So ein Schwachsinn!« gehört. Mir scheint, als rede man so nicht. Als beobachte man eher. Als finde man Dinge eher »erstaunlich« als »blöd« und eher »bemerkenswert« als »abwegig«. Als habe man schlichtweg mehr Interesse an Ideen als an Grenzen. »Wir mögen es, Dinge auszuprobieren, bevor wir sie beurteilen«, sagte einmal eine Frau zu mir. Und ich habe sie heimlich beneidet um diese Offenheit, an Dinge
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