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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Walter
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Brothers pleite. Zwei Wochen später übernahm der isländische Staat 75 Prozent der Anteile der Bank Glitnir. Am Nachmittag des 6. Oktober 2008 trat Islands Premierminister Geir Haarde vor die Fernsehkameras und kündigte ein Notstandsgesetz an, das die Verstaatlichung weiterer Banken ermöglichte. Er räumte ein, dass Island vor der reellen Gefahr eines Staatsbankrotts stünde. Seine Rede schloss er mit den Worten: »Gott segne Island.« Spätestens da wussten alle, wie ernst es war. In den folgenden Tagen wurden die drei größten Banken Islands, Glitnir, Landsbanki und Kaupthing komplett vom Staat übernommen. Ich sah von Berlin aus zu. Und hielt den Atem an.
    Plötzlich war klar, dass man es in Island übertrieben hatte. Manche verglichen die Aktionen isländischer Investmentbanker schon mit den Raubzügen der Wikinger, so hemmungslos hatten die sich über die Geschäftswelt hergemacht. Zudem war Island Opfer internationaler Spekulanten geworden.
    Trotzdem wollte ich nicht darüber berichten. Nicht dabei sein, wenn Schmach und Häme über das Land hereinbrachen. Dafür tat es mir zu leid. Ich hatte Island in mein Herz geschlossen. Und fühlte mich ein bisschen so, als hätte jemand in der Familie einen Unfall gehabt. Wer würde ihn jetzt bergen, den abgestürzten Papageitaucher, zu dem Island geworden war?

Schweinskopfsülze mit Sauerkraut
    Ein paar Tage darauf schrieb ich Gisli eine Mail. » Hi Gisli, Island ist pleite? Wie konnte das denn passieren? Seid ihr in Ordnung oder muss ich euch jetzt Care-Pakete schicken?«
    Die Antwort kam prompt: »Hi Andrea, wirklich, ist Island pleite?«, schrieb er. Denn natürlich musste man die Sache genauer betrachten: »Drei private Banken, die ungefähr 90 Prozent ihres Geschäfts im Ausland gemacht haben, wurden stark von der Finanzkrise getroffen. Die Isländische Zentralbank ist eingesprungen und hat sie übernommen. Die dritte Bank, Kaupthing, fiel, als die britische Regierung die englische Filiale von Kaupthing konfiszierte und ein Antiterrorgesetz gegen die Bank anwendete. Das war wirklich ein freundlicher Akt von unseren Alliierten!«, schrieb Gisli. Die Isländer waren damals geschockt von dieser Aktion. Plötzlich rangierte ihre Bank auf einer Stufe mit Al-Qaida.
    »Natürlich bedeutet das eine drastische Neuregelung unseres Finanzsystems und viele Unternehmen sind schwer getroffen«, schrieb Gisli weiter. »Wir hatten eine vorübergehende Währungsknappheit,
aber die Krone fließt frei. Der Internationale Währungsfonds garantiert uns einen Kredit und die Dinge werden sich erholen – vorausgesetzt, der Rest der Welt überlebt.«
    Gisli war also schon mal ganz der Alte. Ruhig und voller Zuversicht, dass am Ende alles wieder in Ordnung kommen würde. »In der Zeit des Übergangs wird viel passieren und es gibt viele Unsicherheiten«, schrieb er. »Aber du weißt doch, wie man in Island reist. Du folgst dem guten Wetter und wenn die Straße gesperrt ist, fährst du einen Umweg und das Leben ist gut. Viele Grüße, Gisli. PS: Schweinskopfsülze mit Sauerkraut wäre nicht schlecht.«
    Ich war erleichtert. Offensichtlich hatte Gisli weder Humor noch Hoffnung verloren. Ich überlegte, ob jemand aus Deutschland so geantwortet hätte, wenn bei uns der Beinahebankrott ins Haus gestanden hätte. Ich glaube nicht.
    Bei uns waren die Zeitungen voll mit Berichten über Islands Aufstieg und Fall. Ein jeder versuchte zu verstehen, wie es so weit kommen konnte in dem kleinen Land im Nordatlantik. Island, das vor 100 Jahren noch bettelarm gewesen war, war quasi über Nacht zum Global Player geworden. Die neoliberale Regierung hatte nach und nach die Märkte liberalisiert und die Banken privatisiert. Und die hatten es irgendwann heillos übertrieben. Die Krone war stark, weil ausländisches Spekulationskapital reichlich ins Land floss, und so hatte man nach und nach immer mehr billige Kredite in Fremdwährung aufgenommen. Die drei größten isländischen Banken, die etwa 85 Prozent des isländischen Bankensektors ausmachten, hatten dabei so exzessiv expandiert, dass ihr Bilanzvolumen am Ende zehn Mal so groß war wie das jährliche Bruttoinlandsprodukt. Eine Immobilienblase entstand. Und niemand trat auf die Bremse. Erst als die Finanzmärkte weltweit ins Schlingern gerieten, fragte man sich, ob Island
sich das überhaupt leisten und ob es diese Kredite eigentlich zurückzahlen könne?
    Aus der Ferne verfolgte ich, wie es mit Island weiterging, sah im Fernsehen, wie es in

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