Wo geht's hier nach Arabien
hoch angesehen, wobei der Stolz am gröÃten ist, wenn es einen hochbegabten Vorfahren gab, dessen Meisterstücke es bis in ein staatliches ägyptisches Museum Mitteleuropas geschafft haben. Als Original natürlich.
Im Jahr 1912 war das noch etwas anders. Archäologen gruben ganz Ãgypten um. Als Lohn für die ganze Schwitzerei durften sie dann auch was mitnehmen. Legal.
Der Berliner Ludwig Borchardt kommt 1895 nach Ãgypten. Eigentlich ist er Architekt, aber er baut nicht, sondern buddelt. Er heiratet Mimi, eine Frau aus reichem Haus, bleibt in Ãgypten hängen, stirbt 1938 in Paris und ist in Kairo begraben. Er gehört zu jenen Männern der Weltgeschichte, denen die Frau völlig die Schau gestohlen hat. Nicht die Ehefrau, ja nicht einmal eine ganze Frau, sondern ein bunt bemalter Kopf, dem ein Auge fehlt: Nofretete.
Ganze Generationen von deutschen AuÃenministern haben sich den Mund fusselig geredet, wenn die Ãgypter zum x-ten Mal gefordert haben, dass das gestohlene Stück endlich wieder zurückgegeben wird.
Verdammt, wir geben sie nicht mehr her!
Inzwischen wird die Büste auf 300 Millionen Euro geschätzt. Es ist viel zu gefährlich, ach was, geradezu höchst verantwortungslos, sie auch nur um einen einzigen Millimeter zu verrücken. Das ist natürlich eine matte Ausrede und zieht bei den Ãgyptern überhaupt nicht. Und so sind wir um jede politische Erschütterung in Ãgypten froh, weil dann wieder eine Zeitlang Ruhe ist mit den Rückgabeforderungen.
Als Borchardt in Ãgypten unterwegs ist, ist in Europa das Interesse an altem ägyptischem Gerümpel riesengroÃ. Das Land selbst hat dabei nicht viel zu sagen, es steht unter britischer Besatzung, und die ganze Antiquitätenangelegenheit wird von Franzosen verwaltet. Die kennen sich aus mit dem Pharaonenzeug, denn Napoleon hat 100 Jahre zuvor schon etliche Obelisken nach Paris geschleppt. In England und Frankreich gibt es schon riesige Museen für die Ãberreste des alten Orients, nur die Deutschen sind wieder mal zu spät. Also wird in Berlin 1898 ein Verein gegründet, mit viel Geld ausgestattet, und mit Schaufel und Eimerchen marschiert man los, das Altertum auszugraben. Auch Borchardt gräbt im Auftrag dieser DOG, der Deutschen Orient-Gesellschaft. Der Deutsche Kaiser hofft auf groÃe Entdeckungen.Aber es geht ziemlich langweilig los. Borchardt arbeitet am Katalog für das Ãgyptische Museum. Jedes Teil wird aufgelistet. Er steht im muffigen Keller, schaut die Sachen an, schreibt sie ins Buch. Täglich. Endlos. Kaum hat er den Auftrag, jetzt drauÃen im richtigen Sand zu graben, fällt er in Ungnade. Er hätte seine ausländischen Kollegen bei Grabungen in der Nachbarschaft ausspioniert, heiÃt es. Das Geld wird gekürzt.AuÃerdem, meinen die Finanziers, sei es in Babylonien gerade spannender als in Ãgypten.
Borchardt bleibt am Nil und gräbt an anderer Stelle weiter: in Tell Amarna. Der staubige Platz liegt zwischen Kairo und Luxor. Man wusste, dass dort Ruinen sind, aber bisher war es nicht sehr spektakulär. Vier Jahre hatte er schon gegraben. 260 Einheimische sind für die niederen Grabungsdienste angeheuert, Schutt abtragen, Schutt sieben, Schutt wegtragen. Dann kommt der Nikolaustag 1912. Den moslemischen Einheimischen ist der Nikolaus egal, dem Juden Borchardt ebenso, also wird ganz normal gearbeitet. Und plötzlich ein Fund! Nach über 3000 Jahren kommt sie wieder ans Tageslicht, knapp 50 Zentimeter hoch, wunderschön, fast intakt, die Königin Nofretete. Heute neben dem Brandenburger Tor und dem Checkpoint Charlie der Hauptanziehungspunkt Berlins. Aus der Südsee kennt man Muschelheilige, aus Amerika Indianertotems und Mayaklunker, aber meistens sind die fremden Götter unansehnliche fette FKK-Knödel oder bunt gefiederte Fratzen. Doch Nofretete ist wunderschön.
Sie ist ein modernes Schönheitsideal. Schlank, sportlich und sexy, eine gelungene Mischung aus Romy Schneider und Olli Kahns neuestem Disco-Aufriss, das perfekte Titelbild für Gala und Bunte. Das heiÃt, man hat den Nofretete-Kopf immer dementsprechend beleuchtet.Aber im Zug der Neuaufstellung in Berlin haben die Wissenschaftler aus Versehen die Lampe etwas verrückt, und plötzlich wurde aus der frischen jungen Königin eine recht mittelalterliche Mama.Aber von wegen Enttäuschung. Seitdem kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr. Eine Frau
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