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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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im mittleren Alter, faltenfrei, glänzender Teint, makellose Haut. Da fragt sich natürlich jede staunende Besucherin: Was hat sie wohl verwendet? Was war das für ein geheimnisvolles Beautyprodukt? War es die L’Oréal-Nilschlamm-Lotion, das Garnier-Eseldreck-Make-up, gar der Weleda-Anti-Aging-Wüstensand und dazu das königliche Hammelfett von Vichy als Lipgloss? Es bleibt ein Rätsel. In Wahrheit ist alles nur bunter Gips, der über einen Kalkstein gezogen ist. Einmal mit dem Fingernagel zu nah ran, und alles ist hin, die meisten Damen kennen das Problem.
    Und dabei ist die begehrte Büste nicht einmal fertig. Ludwig Borchardt hat sie nicht in einem prunkvollen Thronsaal gefunden oder an anderer altehrwürdiger Stelle, platziert zur Verehrung durch die Untertanen. Sie lag in der Werkstatt herum. Womöglich bloß in der Garage des Oberbildhauers Thutmosis. Seitdem wird spekuliert. Ist das Ganze nur als Modell gedacht? Ist der Handwerker Thutmosis wie ein Staubsaugervertreter mit Nofretete unter dem Arm zum Palast marschiert, hat dort seine staubigen Schlappen ausgezogen und ist vor die königliche Kundschaft getreten: Hoheit, so ungefähr könnten wir’s machen. Oder wollen Sie es lieber so, oder so? Hat da das linke Auge schon gefehlt, oder ist er auf dem Rückweg noch in einer Wirtschaft versumpft? Hat er im » Wirtshaus zur Goldenen Sphinx« mit drei, vier Nilschnäpsen seinen Ärger hinuntergespült, weil sie wieder nicht wussten, was sie wollten, die überspannten Herrschaften. Und auf dem Heimweg ist ihm dann ein paarmal der Kopf aus der Hand geglitten. Oder es waren noch mehr Schnäpse, und er hat einfach die Rechnung damit bezahlt, das Auge war ja aus purem Bergkristall. Die Professoren der Altertumskunde rätseln bis heute.
    Eines ist klar. Nofretetes Untertanen waren nicht annähernd so begeistert von ihrer Königin wie wir heute von ihrem Gipskopf. Ihr Mann war daran schuld. Der Pharao Echnaton führte plötzlich eine andere Religion ein. Tausende von Jahren hatten sich die Ägypter damit abgefunden, dass ihre Religion eine hochkomplizierte Angelegenheit war. Dutzende von Göttern waren auswendig zu lernen. Nicht wie bei uns, Dreieinigkeit, dazu Josef und Maria und noch ein paar Heilige, die man im Notfall schnell nachblättern kann. Götter über Götter, mit verschiedenen Zuständigkeiten und Aufgaben, Gestirne, Schlangen, Hunde, alle mit einem Namen, die kein Mensch richtig aussprechen kann, und das Ganze nicht einmal anständig aufgeschrieben, sondern in hieroglyphischen Bildern gemalt. Und dann kommt dieser neue Pharao daher und sagt: Das könnt ihr alles vergessen. Es gibt nur einen Gott.
    Also alle Mühe umsonst.Abgesehen davon trieb er mit diesem monotheistischen Religionsbefehl unzählige Menschen in den Ruin. Ganze Priesterschaften, die sich liebevoll um ihre göttlichen Figürchen kümmerten, waren plötzlich überflüssig. Die Handwerker, die seit Menschengedenken davon lebten, die tausenderlei Gottheiten aus Lehm, Gips oder Kalk zu formen. Die Altärchen in den Privathäusern, das ganze von der Religion bestimmte öffentliche Leben– alles weg. Sie hassten ihn. Echnaton, ein Spross der 18. Dynastie, ist der erste Herrscher, der den Glauben an den EINEN Gott einführte. Das war pure Revolution. Nach 17 Jahren war seine Herrschaft beendet, die Priester rissen die Macht wieder an sich, der Palast Echnatons wurde dem Erdboden gleichgemacht, jede Erinnerung an diese Zeit ausgelöscht. Die alten Götter wurden wieder vom Dachboden geholt. Doch der Gedanke, dass es vielleicht doch nur EINEN Gott gibt, war nicht mehr aus der Menschheit zu tilgen.
    Sigmund Freud beschreibt in seinem Buch Der Mann Moses und die monotheistische Religion eine verblüffende Theorie. Die Geschichte des Moses, der am Nil im Schilfkorb ausgesetzt worden war, spielt in der Zeit der Unruhe, in der die ägyptischen Priester versuchten, ihre Macht zurückzuerobern. Moses und seine Leute seien die letzten unverbesserlichen Anhänger des Echnaton gewesen, die man nun ins Elend getrieben hätte. Doch Moses Leute entkommen den Mördern und überleben in der Wüste, das steht sogar in der Bibel. Das Grüppchen der Flüchtlinge glaubt nach wie vor an einen einzigen Gott. Die Nachfahren dieser Idee kennt man: Juden, Christen, Moslems.
    Ludwig Borchardt muss seine Stücke der Antikenverwaltung

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