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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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gelangt ist, hätte er die Finger davongelassen. Alois Brunner war nämlich Nazi.
    Kein Nazi im herkömmlichen Sinn. So einer, der eben » irgendwie« mitgemacht hat und auch nach dem Krieg noch Nazi war, aber es eben nicht mehr öffentlich gesagt hat. Nicht so einer. Alois Brunner war Nazi durch und durch. Brutal und menschenverachtend, roh, kalt und grausam. An der Seite Adolf Eichmanns war er hauptverantwortlich für den Völkermord an den Juden. Aber er wurde nie dafür belangt, flüchtete irgendwann nach dem Krieg nach Syrien, tauchte unter und erzählt bis in unsere Tage jedem, dass man ihm dankbar sein könne, Wien » judenfrei« gemacht zu haben.
    Als ich mich in Damaskus auf die Suche nach Alois Brunner mache, finde ich unverhofft das Geschäft, in dem Brunners Sauerkraut verkauft wurde. Über dem Eingang prangt in arabischen Lettern der Name des Geschäfts: » Nura«. Auffallenderweise trägt eine Tante Brunners denselben Namen.
    Es ist früher Nachmittag. Gegen die Hitze sind die Rollläden heruntergelassen. In den Regalen stehen auffallend viele westliche Produkte. Tempo, Nivea, Nesquick und so weiter. In der näheren Umgebung liegen unzählige Botschaften, Konsulate und Residenzen westlicher Diplomaten. Daher die Kundschaft. Der Besitzer des Ladens, ein freundlicher älterer Herr, sitzt neben der Kasse auf einem wackeligen Stuhl und hält arabische Siesta.
    Â» Das Sauerkraut war sehr beliebt bei der deutschen Kundschaft«, erinnert er sich. » Nur die DDR-Leute haben es nicht gekauft.« Denn alle wussten, wer es herstellte: Alois Brunner, einer der meistgesuchten Naziverbrecher.
    Alois Brunner wurde 1912 in Österreich geboren und diente sich bis zum SS-Hauptsturmführer hoch. Er wütete in ganz Europa, von Berlin bis Saloniki, von Paris bis in die Slowakei. Selbst Babys verschonte er nicht, wachte persönlich über ihren Transport nach Auschwitz. Weit über 100 000 Menschenleben hat er vernichtet.
    In der Nachkriegszeit ging es oft recht übergangslos von der SS in die Dienste des amerikanischen Geheimdienstes. Natürlich gab es das Tribunal in Nürnberg, aber der Betrieb musste ja irgendwie weitergehen.
    Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen zum Leiter der sogenannten Ost-Spionage ernannt. Russische Kriegsgefangene wurden » befragt«, das heißt gefoltert, jeder menschliche Umgang mit den Gefangenen wurde untersagt.
    Reinhard Gehlen war nach Kriegsende die Rettung für die Nazis. Um der russischen Gefangenschaft zu entgehen, stellte er sich den Amerikanern und bot ihnen seine Dienste an. Sie nehmen dankbar an. Mündlich wird vereinbart: » 1. Es wird eine deutsche nachrichtendienstliche Organisation unter Benutzung des vorhandenen Potenzials geschaffen, die nach Osten aufklärt bzw. die alte Arbeit im gleichen Sinn fortsetzt. Die Grundlage ist das gemeinsame Interesse an der Verteidigung gegen den Kommunismus. 2. Die deutsche Organisation arbeitet nicht für oder unter den Amerikanern, sondern mit den Amerikanern zusammen.«
    Diese » Zusammenarbeit« funktioniert perfekt. Anstatt die Kriegsverbrecher auszuliefern, werden sie in höchste Ämter der jungen Bundesrepublik gehoben. Reinhard Gehlen selbst wird erster Präsident des BND. In dieser Position schart er seine alten SS-Freunde um sich und schützt die, die man nicht so ohne weiteres der Öffentlichkeit präsentieren kann. Alois Brunner ist so einer. Er bekommt einen falschen Pass und nennt sich bis heute » Georg Fischer«. Seine neue Adresse: Damaskus, Syrien.
    Der syrische Präsident Hafis el-Assad kennt Brunners Vergangenheit und stellt ihn in seine Dienste. Ein berüchtigtes Folterwerkzeug der syrischen Geheimdienste verdankt ihm seinen Namen: al-kursi al-almani, »der deutsche Stuhl.«
    Während er in Frankreich im Laufe der Jahre zweimal zum Tode und einmal zu lebenslanger Haft verurteilt wird, ringt sich die Bundesrepublik Deutschland nur sehr gemächlich dazu durch, den Massenmörder zu suchen. Ja, die deutschen Diplomaten stellen dem syrischen Präsidenten sogar ab und zu die rhetorische Frage: » Wo ist Alois Brunner?« Der antwortet darauf immer, den kenne er nicht, aber wenn er etwas in Erfahrung bringen würde, helfe er gerne. Ein Ritual.
    Während sich der BND rührend um den Mitarbeiter Brunner im syrischen Ausland kümmert, setzen die Länder

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