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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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Hessen und Nordrhein-Westfalen eine Belohnung von einer halben Million Mark für Hinweise zu seinem Aufenthaltsort aus. Ich habe einen Termin beim Landeskriminalamt in München, ein paar Herren aus Wiesbaden sind auch da. BKA. Es geht darum, ob ich wüsste, wer Alois Brunner täglich die Post bringe. Über diesen Mittelsmann plane man, Brunner ein neues Glasauge schmackhaft zu machen. Glasaugen müsse man angeblich alle paar Jahre austauschen, und die neuen Modelle hielten bis zu 20 Jahre. Das wär doch was für den alten Herrn. Ob Brunner tatsächlich die Werbung für ein neues Glasauge interessiert, das auch dann noch funktioniert, wenn er längst unter der Erde liegt, bezweifle ich. Als ich gehe und laut den Gedanken ausspreche, die Brunner-Geschichte veröffentlichen zu wollen, höre ich den Satz, den ich bis zu diesem Moment nur aus Kinofilmen kannte: » Sie waren nie bei uns.«
    Da ich kein 007 bin, dauert es eine Weile, bis ich kapiere, dass die Herrschaften gar nichts über Alois Brunner herausfinden wollten. Sie wissen ja eh alles. Es ging ausschließlich darum, einen bayerischen Kabarettisten auszuhorchen, wie nah der dem Versteck Brunners gekommen war.
    Unter einem Vorwand spreche ich bei meinen vielen Syrienbesuchen regelmäßig in der deutschen Botschaft vor. Sie liegt ungefähr fünf Gehminuten von der Wohnung Brunners entfernt. Einmal wird es dem Herrn, der zu dem penetranten Besucher abgestellt war, zu bunt. Er brüllt mich an: » Er ist tot! Er ist tot! Tot! Tot! Verstehen Sie! Tot!«
    Aber er ist nicht tot.Am Nachmittag bin ich in einem Tante-Emma-Laden, der hundert Meter entfernt gegenüber Brunners Wohnung liegt. Der Besitzer führt mich auf die Straße: » Da lebt er.«
    Tatsächlich aber ist Brunner zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der berühmten Adresse » Rue Haddad 7«. Im Jahr 1985 veröffentlicht die sonst eher für Promigeschwätz bekannte Bunte eine Reportage über den Damaszener Aufenthalt von » Georg Fischer«. Jetzt wird es Präsident Assad zu heiß. Er schaut dem Treiben noch ein paar Jahre zu, aber schließlich verbannt er Brunner an einen unbekannten Ort. Ein Bekannter von mir, der mit dem Polizisten befreundet ist, der Brunner eine Zeitlang beschützt hat, bemitleidet ihn: » Er darf nicht mehr ans Telefon. Nicht mal ans Fenster.«
    In Aleppo bekomme ich einen Tipp. » Schau doch mal in Slunfe«. Am anderen Ende der Leitung ist Esther Schapira, die mit Georg M. Hafner den legendären Dokumentarfilm Die Akte B. recherchiert und gedreht hat. Während ich mit Esther Schapira spreche, sitze ich zwischen einem Dutzend blondierter Mädchen aus Osteuropa. Prostitution ist in Syrien übrigens genauso verboten, wie es dort auch keinen Brunner gibt. Der winzige Telefonshop war im Jahr 2000 eine der seltenen Möglichkeiten, mit dem Ausland zu telefonieren.
    Ich fahre los. Es stellt sich heraus, der Ort Slunfe liegt im Herkunftsgebiet der Assad-Familie. Zufälle gibt’s!
    Im Laufe der Jahre meiner Recherche wird es spürbar heikler, in Syrien die Frage nach Brunner zu stellen. Zudem werde ich immer wütender, gar nichts herauszufinden. Da hilft der Zufall.
    Zu Fuß kreise ich unzählige Male um die ehemalige Wohnung Alois Brunners in Damaskus, halte in den Straßen Ausschau nach Herren in seinem Alter. Es ist kaum möglich, dabei nicht aufzufallen. Auffallen, das ist in einer Diktatur immer schlecht.
    Wilhelm Dietl, der ehemalige Focus -Reporter, der als BND-Mitarbeiter enttarnt worden ist, hat mir ein Bild in der Größe eines Passfotos mitgegeben. Es zeigt den Chef eines Geheimdienstes, von denen es in Syrien mindestens neun verschiedene gibt. » Wenn was is, zeig das Bild und sag, den willst du sprechen.« Hm, beruhigend.
    An jeder Ecke des Viertels stehen lässige junge Männer, manche mit Maschinenpistolen, manche mit Funkgeräten ausgerüstet. Ein bewachtes Objekt steht neben dem anderen. Brunners Wohnung mittendrin. Ein älterer Herr tritt direkt vor mir aus einer Haustüre heraus, als ich vorübergehen will, ich lasse ihn vor. Er tippelt vor mir her, um seinen Müll wegzubringen. Da spreche ich ihn von hinten an, auf Deutsch:
    Â» Ach, Entschuldigung, sprechen Sie Deutsch?«
    Er dreht sich überrascht um und sagt: »Ja.«
    Der erste Blick geht immer zur Hand. Der Herr hat noch alle Finger, es ist nicht Alois Brunner. Dafür

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