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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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das aber trotz aller Verschiedenheit seine Berechtigung hat. Im Gegenteil: Halef und Kara, Muslim und Christ, werden Freunde fürs Leben. Und Halef hat man lieb, spätestens wenn man sich an Ralf Wolter in der Rolle des quirligen Muslims erinnert, ausgestattet mit viel zu großem Turban, viel zu großer Pistole, viel zu großem Mundwerk. Nach Winnetou, 1964, wurden nämlich auch Teile der Orienterzählungen von Karl May verfilmt. Alle Publikumslieblinge aus dem Wilden Westen tauchen in Der Schut auf, Lex Barker, Marie Versini, Chris Howland. Pierre Brice nicht, dem war wahrscheinlich seine Apachenperücke am Kopf festgewachsen.
    Wenn es um Karl May geht, stellt sich immer wieder dieselbe Frage: War er oder war er nicht– an den Schauplätzen seiner Abenteuer? War er jemals in Amerika? Haben seine Schuhe jemals Wüstensand berührt? Ja! Er war da!
    Allerdings lange nachdem er seine Geschichten geschrieben hatte. Sogar die Presse berichtete davon. Am 17. Mai 1899 erscheint in der Pfälzer Zeitung eine Notiz: » Die Leser und Verehrer des berühmten Reiseschriftstellers Karl May wird die Nachricht interessiren, dass er eben unterwegs ist, um seinen Halef in Arabien zu besuchen.« Karl May war tatsächlich auf dem Weg nach Arabien. Als er am 9. April 1899 in dem ägyptischen Hafen Port Said von Bord ging, betrat er zum ersten Mal in seinem Leben ein Land außerhalb von Europa. May ist 57 Jahre alt und längst ein prominenter Schriftsteller, doch ein Beduine namens Halef wartet nirgends auf ihn. Im Gegenteil, für teures Geld muss er einen fremden Mann anheuern. Auf Freundschaft, gar Blutsbrüderschaft, mit dem Einheimischen, wie es sein Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi praktiziert haben, lässt sich der Reisende aus Sachsen erst gar nicht ein, er schließt einen » Dienst-Vertrag«:
    Â» Zwischen dem Reisenden Herrn Dr. Karl May aus Dresden und dem andern Contrahenten Sejd Hassan aus Kairo ist heute folgender Dienstvertrag abgeschlossen worden.
    Â§ 1. Herr Dr. Karl May engagirt Sejd Hassan zu und während der jetzt von ihm anzutretenden Reise als Diener. § 2. Sejd Hassan hat Herrn May zu begleiten, wohin es diesem beliebt, ihm vor allen Dingen Gehorsam, Treue und Ehrlichkeit zu erweisen und sich der Ausführung keines Befehls zu weigern. Er erhält dafür eine Gage von 5 Mark pro Tag.«
    Karl May kann es sich leisten. Die finanzielle Sicherheit erreichte er aber erst sehr spät in seinem Leben. Er wurde am 25. Februar 1842 im sächsischen Erzgebirge geboren, es gab 13 Geschwister, die meisten starben noch im Kindesalter. Sein Vater war ein sogenannter Heimweber, ein aussterbender Beruf. Die Weberei war von vorgestern, jetzt drehte die Industrie mächtig auf, es ging um Stahl, Kohle, Eisen, Erz. Karl May erlebte den Hunger am eigenen Leib, in der nahen Mühle erbettelte er als Kind » Spelzenabfall« und » Beutelstaub«, Zutaten, aus denen kein normaler Mensch ein vernünftiges Essen zubereiten könnte. Mays Familie ernährte sich davon.
    Er verdiente sich ein winziges Zubrot, indem er in einer Kegelbahn die geworfenen Kegel wieder aufstellte. Wenn die Gäste ausblieben, vertiefte er sich in die Schundliteratur des Gastwirts. Abenteuergeschichten, Räuberbanden, Jugend-phantasien.
    Wegen Diebstahl, Betrug und Hochstapelei saß er in der Folge mehrmals im Zuchthaus, entfloh, wurde steckbrieflich gesucht, wieder eingefangen. Schon während dieser Zeit schrieb und verkaufte er Geschichten, oft dieselbe Geschichte unter verschiedenen Namen, sodass er sie mehrfach verhökern konnte. Mit den uns heute geläufigen Reiseerzählungen kam der Durchbruch. In Radebeul bei Dresden baute er sich eine Villa, und der Büchsenmacher aus dem nahe gelegenen Kötzschenbroda bastelte ihm die berühmten Gewehre Old Shatterhands, den » Bärentöter« und den » Henry Stutzen«. Er identifizierte sich mehr und mehr mit seinen erfundenen Helden. Bewunderer kamen, lauschten seinen Geschichten und ließen sich mit ihm in Wildwest- oder Orientkostümen fotografieren.
    Natürlich log er das Publikum an. Aber solange die Geschichte spannend war, ließ sich der Leser bereitwillig anschwindeln. Ähnlich wie bei Haarwuchsmitteln. Heute hieße das ganz einfach » Imagekampagne«, und die größten Werbeagenturen des Landes würden sich um ihn reißen. Dr. Karl May schreibt aus Ägypten an die schon

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