Wo geht's hier nach Arabien
Der klamme Komponist Richard Wagner, ein sächsischer Landsmann Karl Mays, kommt als enger Wegbegleiter seines königlichen Sponsors natürlich auch darin vor. Die wilden Spekulationen um den Tod des Märchenkönigs bieten eine wunderbare Vorlage für den Winnetou-Erfinder May.
Einer der wenigen überlieferten Aussprüche des » Kinis«, wie man in Bayern heute noch zu ihm sagt, passt auch gut auf den einst meistgelesenen deutschen Schriftsteller Karl May: » Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen.«
Anton Spitaler
Wo: Maalula, Syrien
Wann: 1955
Warum: Dialektforschung, werâs glaubt
E s ist der Stoff, aus dem Krimis sind. Am Anfang sind zwei Professoren tot. Ein dritter verrät kurz vor seinem Tod ein Geheimnis, das er ein Leben lang für sich bewahrt hat. Alles dreht sich um ein uraltes, geheimnisvolles Koran -Exemplar. Nazis kommen vor und ein neugieriger Student, der dem Treiben auf die Schliche kommt. Mehrere Schachteln, in denen alte Filmrollen verwahrt werden, tauchen plötzlich wieder auf. Die Geschichte spielt an einer Universität in Deutschland und in einem kleinen Dorf in Syrien. Der einzige Unterschied zu Dan Brown, Agatha Christie und Indiana Jones ist: Es gibt kein Happy End. Die Bösen werden nicht erwischt. Aber jetzt der Reihe nach.
In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1944 fliegen britische Bomber der Royal Air Force wieder einen schweren Luftangriff auf München. Eine halbe Million Stabbrandbomben und über 25 000 Phosphorbomben donnern auf die Stadt. Die Bahnhöfe brennen, Häuser brechen in sich zusammen, der totale Krieg, Leid ohne Ende. Auch ein ehemaliges Jesuitenkolleg, das die Bayerische Akademie der Wissenschaften beherbergt, wird komplett zerstört. Das kommt dem Orientalisten Anton Spitaler gerade recht. Er arbeitet an seiner Habilitation in Semitistik (die Sprachwissenschaft semitischer Sprachen, wozu Arabisch gehört) und behauptet nach dem Bombardement, dass 450 Filmrollen, auf denen die ältesten Koran -Exemplare der Welt festgehalten sind, unter den Trümmern begraben liegen. Ja, er sei erschüttert über den Verlust. Schlimm sei das.
Niemand zweifelt daran. Wissenschaft hin oder her, die Menschen haben in diesem Moment Wichtigeres zu tun, als sich um zerstörte Filmrollen zu kümmern.
Fünfzig Jahre vergehen. Dann übergibt der über 80-jährige Professor Anton Spitaler mehrere Schachteln und Zigarrenkistchen an eine seiner Schülerinnen. 450 alte Filmrollen sind darin.
» Mr. Spitaler was lying«, schreibt The Wall Street Journal am 12. Januar 2008, fünf Jahre nach seinem Tod. Die Koran -Fotografien waren nie verschüttet, sondern immer im sicheren Besitz des hochangesehenen Professors. Wahrscheinlich hat er die Schachteln wie seinen Augapfel gehütet. SchlieÃlich ist deren Inhalt ein Vermögen wert. Der Wissenschaft hat er seinen Schatz aber nie zur Verfügung gestellt. In den sechziger Jahren schrieb Anton Spitaler über sich selbst: » Wenn es mir [â¦] gelingen sollte, in meinen Schülern die Liebe zum Orient zu wecken, ihnen den Zugang zum richtigen Verständnis seiner Probleme in Vergangenheit und Gegenwart zu eröffnen und sie nicht zuletzt zu verantwortlicher akademischer Gesinnung und wahrem wissenschaftlichem Ethos zu erziehen, betrachte ich meine Aufgabe in Lehre und Forschung als erfüllt.« So weit die Ansprüche an seine Studenten.
Als ich selbst am Münchner Institut für Semitistik studierte, kam man an den Büchern Anton Spitalers nicht vorbei. Doch hinter vorgehaltener Hand hörte man plötzlich Kollegen über ihn sagen: » Ach, der alte Nazi.« Mehr war darüber nicht zu erfahren.
Anton Spitaler wurde im Jahr 1910 in München geboren und begeisterte sich schon als Jugendlicher für den Orient. Er besuchte das humanistische Theresiengymnasium und studierte anschlieÃend das Fach Orientalistik an der Universität. Sein Lehrer war einer der bedeutendsten Orientalisten des 20. Jahrhunderts, Gotthelf Bergsträsser. Mit einer Leica-Kamera ausgerüstet reiste Bergsträsser in Nordafrika und im Nahen Osten herum, um alte Koran -Manuskripte zu fotografieren. So entstand im Laufe der Zeit eine einzigartige Sammlung von alten Handschriften eines der heiligsten Bücher der Erde, des Korans.
Im Januar 1933 übernehmen die Nationalsozialisten endgültig die Macht über Deutschland. Der geübte
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