Wo geht's hier nach Arabien
wer überhaupt nichts darüber weiÃ, hat wenigstens eine Meinung dazu. Die Geschichte Israels ist jedem geläufig und geht so:
Die Nazis haben die Juden verfolgt. Deswegen sind die nach Palästina geflüchtet. Dort haben sie mit vorgehaltenem Revolver die Araber aus ihren Häusern verjagt und sich darin breitgemacht. Nach dem ersten koscheren Frühstück im geraubten Heim haben sie sich zur jüdischen Weltverschwörung verabredet und, hochgerüstet von den amerikanischen Freunden, die arabischen Nachbarstaaten überfallen. Das Ganze heiÃt Zionismus und ist eine ständige Bedrohung für die Welt und die Araber. Genauso warâsâ eben nicht.
Als Martin Buber im März 1938 nach Palästina flieht, gibt es noch kein Israel. Er marschiert auch nicht mit Kampftruppen ein, sondern mit Flüchtlingen, die mit wenigen Habseligkeiten an Land gehen. Die neue Heimat im Orient ist weniger das Gelobte Land als die pure Rettung aus der Nazihölle. Die Schiffe Richtung Jaffa oder Haifa fahren in Triest, Genua, Bari oder Marseille ab. Allein der Weg dorthin ist gefährlich, strapaziös und mit einer Unmenge an Bürokratie gepflastert. Und die kostet Geld. Unmenschliche Steuern und frei erfundene Gebühren fallen noch in Deutschland an. » Je ärmer und damit belastender für das Einwanderungsland der einwandernde Jude ist, desto erwünschter ist die Wirkung im deutschen propagandistischen Interesse.« Diese Zeilen verschickt das deutsche Auswärtige Amt an seine Behörden.
Wem von den Auswanderern noch etwas an privatem Besitz geblieben ist, hat für seinen geretteten Hausrat einen » Lift« dabei. » Lift«, so heiÃen die begehbaren Container aus Holz, die oft als Frachtgut hinterhergeschickt werden. In Tel Aviv werden diese dann von den Inhabern teuer ausgelöst. Wer zu diesem Zeitpunkt kein Geld mehr hat, kann sein eigenes Hab und Gut nicht einmal mehr abholen, obwohl es in Reichweite ist. Wer doch noch Geld hat, seinen » Lift« vom Zoll auszulösen, aber danach keines mehr für Haus oder Wohnung, zieht mit der ganzen Familie in seinen eigenen Frachtcontainer. Jahrzehnte danach kann man in israelischen Vorgärten noch diese » Lifte« sehen, die inzwischen als Schuppen oder Stall genutzt werden.
Auf den Schiffen wird das » Bord-Merkblatt für die Ankunft in Palästina« verteilt. Wo geht man zuerst hin, wo bekommt man Arbeit, wo wird Deutsch gesprochen und so weiter. Und wieder Gebühren: Steuern, Ausbootungskosten, um überhaupt vom groÃen Schiff mit kleineren Booten an Land zu kommen, Lager- und Transportgebühren. Dann beginnt die Odyssee, vom Gesundheits-Departement, das ohne » weiÃe Karte«, für die man eine Privatadresse in Palästina benötigt, nicht zu passieren ist, hinüber zur Zollrevision, dann die vorgeschriebene Fahrt nach Tel Aviv, um sich endgültig anzumelden. Das alles mit Sack und Pack, der ganzen Familie, nach tage- oder wochenlangen Reisestrapazen. Und in dem Wissen, dass das Leben, das man bisher geführt hat, Vergangenheit ist.
» Zähigkeit«, » Opferwille«, » Verantwortungsgefühl«, » Anpassungsfähigkeit« werden von den Neuankömmlingen verlangt. Das sind markige deutsche Begriffe, die an die Machthaber in der alten Heimat erinnern und manche erschrecken. Mit bangen Gefühlen schauen die Geretteten auf die sich nähernde palästinensische Küste und sehen als Erstesâ die Hakenkreuzfahne. Sie weht vom Dach der deutschen Vertretung in Jaffa.
Martin Buber ist 60 Jahre alt, als er nach Jerusalem auswandert. Der geborene Wiener war Professor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, die von den Nazis als » jüdisch-marxistisch« verunglimpft wurde. Buber legte seine Professur nach der Machtergreifung 1933 nieder. Zwei Jahre später entzieht man ihm endgültig die Lehrerlaubnis. 1938, in der sogenannten Reichskristallnacht, wird sein Haus verwüstet und geplündert. Die zurückgelassenen Möbel und die Bibliothek sind für immer verloren. Es sei denn, sie sind in einem deutschen Hausrat aufgegangen. Denn so manches Ãlgemälde, der ein oder andere Kerzenständer, Porzellan und Besteck, das Opa hinterlassen hat, stammt ja nicht aus deutschem Familienbesitz. » Es war doch Krieg, mein Kind, du weiÃt schonâ¦Â«
Ein Religionsphilosoph beschäftigt sich mit Dingen, von
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