Wo geht's hier nach Arabien
vorangegangenen Schreibkrise ein weiterer persönlicher Misserfolg, ein wirklicher Rückschlag, ein Desaster. Er selbst beschreibt seine Ãgyptenreise als » Wasserscheide« seines Lebens. Nie wieder wird er dieses Land betreten.
Zurück in Europa will Rilke studieren. In München, Leipzig oder Paris, egal, Hauptsache » ägyptische Sachen«. Er sammelt alles, was er an altägyptischer Literatur bekommen kann, wobei er in unablässigem Briefkontakt mit den führenden Ãgyptologen seiner Zeit steht. Dann bricht 1914 der Erste Weltkrieg aus. In Paris, der Hauptstadt des Erzfeindes, wird Rilkes gesamter Besitz versteigert. Er selbst wird eingezogen, sein Vater gilt in den Kriegsereignissen als vermisst. In Ãgypten konfiszieren die Engländer allen deutschen Besitz und internieren die deutschen Feinde. Der groÃe deutsche Lyriker Rainer Maria Rilke verstummt.
Neben der Masse an Gedichten und einigen Romanen sollen über 20 000 Briefe aus seiner Hand stammen. Sehr viel später, im Jahr 1941, wird sein Schriftstellerkollege Thomas Mann ein vernichtendes Urteil fällen: » â¦sein Ãsthetizismus, sein adliges Getuâ, seine frömmelnde Geziertheit waren mir immer peinlich und machten mir seine Prosa unerträglich.«
Dennoch: Alle Hauptwerke Rilkes sind heute ins Arabische übersetzt.
Susi: Rucksacktouristin
Wo: Jemen
Wann: nach dem Abi
Warum: Gutmenschentümelei
J etzt hat es ihn erwischt! Der Individualtourist und AuÃenseiter, der Alleinreisende und Weltenbummler ist selbst zum Forschungsobjekt geworden. » Der Backpacker« als Doktorarbeit. Und es geschieht ihm recht. Alles ist erforscht, vom » Zirkulardichroismus in der Photoemission von inneren Schalen und Ferromagneten« (gibt es wirklich), bis hin zu den konkurrierenden » Wirtschaftstheorien bei den Gonorrhoe-Indianern im 17. Jahrhundert« (könnte es geben). Jeder Virus des Universums wurde so lange unters Elektronenmikroskop gelegt, bis sich der Doktorand die Augen wund studiert hatte. Jetzt geht es dem letzten Rätsel dieser Erde an den Kragen. Im Gegensatz zu Radioaktivität und Relativitätstheorie war der Rucksacktourist eine unbekannte Materie. Damit ist Schluss, er ist gründlichst analysiert. Die Titel der Forschungsarbeiten lauten unter anderem: Aspekte des Alternativtourismus vor dem Hintergrund politischer Steuerung und sozio-kulturellen Wandels von Günter Spreitzhofer oder Globality. Eine Ethnografie über Backpacker von Jana Binder. Die weià Bescheid, sie war früher selbst mit dem Rucksack unterwegs.
Und es sieht nicht gut aus. Viele Wissenschaftler kommen nämlich zu dem Schluss, dass die verschwitzten Jungvölker, diese ungeduschten Sprösslinge des Bildungsbürgertums und milchgesichtigen » Interrail«-Teenies, bei weitem nicht den » sanften Tourismus« pflegen, den sie vorgeben. In naiver Blauäugigkeit bahnen sie dem Massentourismus den Weg, sie sind die StraÃenbauer für Neckermann und Co., sind der Alltours-Schneepflug.
Susi kommt aus Mülheim an der Ruhr oder auch aus Freilassing, sie hat Abitur und groÃe Zukunftspläne, aber kein Geld. Sie hat die Bewerbungsschreiben hinter sich und möchte die Welt erkunden. Ein paar Wochen mit Birkenstocks in Billig-hotels absteigen und Abenteuer erleben. Denn das angestrebte Berufsziel sieht anders aus: Kostüm, Pumps und unzählige Nächte in den Businessabsteigen in Messenähe. Natürlich nicht als einfache Vorzimmersekretärin, sondern schon als Referentin für Naturschutz in einem weltweit operierenden Chemiekonzern, schlieÃlich hatte man Englisch im Leistungskurs und Spanisch im Nebenfach. Sie kann sich einen Job als Projektmanagerin in der Entwicklungshilfeabteilung von BASF vorstellen, die sich hinterher um die Menschen kümmert, die man zuvor vergiftet hat. Auf jeden Fall: Gutes tun und dabei gut verdienen. Da reicht schon ein Verwaltungsposten im ersten Bioatomkraftwerk der Welt. Kurzum: Karriere, aber mit Ãko. Möglichst mit variablen Vergütungen, damit Weihnachten für das Schulprojekt in Nepal gespendet werden kann.
Aber jetzt geht es noch mal raus an die frische Luft Arabiens. Als Begleiterin gewinnt sie die beste Freundin, die nach der gemeinsamen Reise nicht mehr die beste Freundin sein wird, weil sie entweder in den Lonely Planet Eselsohren reinmacht oder zu viel mit Ahmed flirtet. Oder beides.
Sie suchen sich den Jemen
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