Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
von unserer persönlichen Erfahrung. Manche davon regulieren den Herzschlag oder lösen Reflexe aus, andere bescheren uns lebendigeErinnerungen an die Plätzchen, die wir als Kind so gerne gegessen haben, und wieder andere ermöglichen uns, so komplizierte Dinge wie Computer zu entwickeln. Diese Verbindungen sind der eigentliche Schlüssel zur Weisheit. Die Tatsache, dass die Zahl der Neuronen in unserem Gehirn ab dem Erwachsenenalter ständig abnimmt, hat nicht viel zu sagen. Es geht nicht darum, wie viele davon wir haben, sondern darum, wie weit verzweigt und gut verschaltet die Netzwerke sind, die sich zwischen ihnen gebildet haben.
Vom »technischen« Standpunkt aus betrachtet, basiert alles, was in unserem Gehirn passiert, auf solchen Netzwerken. Selbst beim Fingernägelschneiden muss ein bestimmtes Netzwerk von Neuronen auf ganz bestimmte Art und Weise feuern, aber das macht Fingernägelschneiden noch nicht zu einer hochtrabenden Geistesleistung. Netzwerke, die gute Ideen hervorbringen, zeichnen sich durch ganz bestimmte charakteristische Merkmale aus. Das schöpferische Gehirn verhält sich anders als eines, das stets nur einfache, repetitive Aufgaben zu erledigen hat. Die Neuronen kommunizieren anders untereinander, und die Netzwerke nehmen andere Formen an.
Die Frage ist, wie wir unser Gehirn dazu bringen, mehr solcher kreativer Netzwerke zu bilden. Die Antwort ist erfreulich einfach: Um unseren Geist innovativer zu machen, müssen wir für eine möglichst vernetzte Umgebung sorgen: Netzwerke von Ideen oder Menschen, die sich ähnlich verhalten wie die Verschaltungen eines Gehirns, das beständig die Grenzen des Nächstmöglichen auslotet. Bestimmte Umgebungen unterstützen das Gehirn darin, neue Verknüpfungen zu suchen. Doch die Muster, nach denen dies geschieht, sind weit älter als das menschliche Gehirn und sogar noch älter als Nervenzellen. Einmal mehr bringen sie uns direkt zurück zum Anbeginn des Lebens selbst.
So weit wir es heute beurteilen können, ist der Ausdruck »auf Kohlenstoff basierendes Leben« ein weißer Schimmel. Ohne Kohlenstoff wäre kein Leben möglich. Die meisten Astrobiologen (Wissenschaftler, die sich mit der Möglichkeit von außerirdischem Leben beschäftigen) glauben, dass wir, sollten wir je auf einem anderen Planeten oder in einer anderen Galaxie Hinweise für Leben finden, dieses ebenfalls auf Kohlenstoff basieren wird.
Woher nehmen wir die Gewissheit, dass Kohlenstoff so wichtig für die Entstehung von Leben ist? Die Antwort hat mit den ureigensten Eigenschaften des Kohlenstoffatoms zu tun: Kohlenstoff verfügt über vier Valenzelektronen in der äußersten Schale. Aus Gründen, die hier nicht näher erläutert werden sollen, bedeutet das, dass Kohlenstoff besonders leicht Verbindungen mit anderen Atomen eingehen kann, vor allem mit Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor, Schwefel und – am allerwichtigsten – mit anderen Kohlenstoffatomen. Diese sechs Elemente machen zusammen 99 Prozent der Trockenmasse aller auf der Erde lebenden Organismen aus. Die vier freien Valenzelektronen lassen Kohlenstoff mit Freuden komplexe Polymerverbindungen eingehen. Alles, vom in den Nukleinsäuren gespeicherten Gencode über die Grundbausteine der Proteine bis hin zu Kohlehydraten und Fetten als Energiespeicher, basiert auf diesen Polymeren. Sogar die Industrie hat sich das schöpferische Potenzial des Kohlenstoffatoms zunutze gemacht, und zwar in Form jener künstlichen Polymere, die wir Plastik nennen. Die Erdkruste besteht lediglich zu 0,03 Prozent aus Kohlenstoffatomen, von der Körpermasse eines Menschen machen sie allerdings fast 20 Prozent aus. Dieser hohe Anteil verdeutlicht die einzigartige Qualität des Kohlenstoffs: seine Kombinationsfähigkeit. Kohlenstoff ist ein Verbinder.
Diese Verbindungen sind unabdingbar für das Fortbestehen von Leben. Sie bilden Ketten von Nukleinsäuren, die wiederumAminosäuren dazu veranlassen, sich zu langen Proteinsträngen zusammenzufügen, und die dazu nötige Energie wird in Form von Kohlehydraten zur Verfügung gestellt. Aber die Kombinationsfähigkeit des Kohlenstoffs spielte auch am Anfang des Lebens selbst eine entscheidende Rolle. Es ist kaum vorstellbar, wie sich ohne den bindungsfreudigen Kohlenstoff die ersten, aus komplexeren Molekülverbindungen bestehenden Organismen hätten entwickeln sollen. Die vier Valenzelektronen auf der äußeren Schale ermöglichten der präbiotischen Erde, den Raum des Nächstmöglichen zu
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