Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
unregelmäßigen Abständen über den Fortgang des eigenen Projekts zu unterrichten. Die meisten Entwickler springen in ihren Privatprojekten von einer Idee zu nächsten, und aus der großen Mehrzahl davon wird nie ein offizielles Google-Produkt, aber hin und wieder kommt es vor, dass eine dieser Ahnungen sich zu etwas Größerem entwickelt. Googles AdSense, mit dessen Hilfe Blogger und Web Publisher auf ihrer Seite Werbeanzeigen schalten können, entstand zum Teil aus diesem 20-Prozent-Programm. 2009 erzielte Google mit AdSense über fünf Milliarden Dollar Umsatz und damit beinahe ein Drittel der Jahresgesamteinnahmen. Orkut, eines der größten sozialen Netzwerke in Indien und Brasilien, wurde als Nebenprojekt von dem türkischen Google-Mitarbeiter Orkut Büyükkökten entwickelt. Auch Googles beliebte Mail-Plattform Gmail nahm ihre Anfänge im Innovation Time Off Projekt, und laut Googles Vizepräsidentin Marissa Mayer entsteht über die Hälfte aller neuen Google-Produkte auf diese Weise.
Am besten lässt sich die unterschiedliche Informationsverwaltung bei Google und dem FBI vielleicht anhand des Werdegangsvon Krishna Bharat veranschaulichen, der mittlerweile Chefentwickler bei Google ist. In den Wochen nach 9/11 wurde Bharat regelrecht überrollt von den Nachrichten zu den Anschlägen und dem bevorstehenden Krieg in Afghanistan. Da kam ihm der Gedanke, wie nützlich ein Softwaretool wäre, das alle Nachrichten und Informationen aus dem Netz automatisch nach Wichtigkeit in Gruppen einteilt, sodass der Nutzer sich schnell einen Überblick verschaffen kann – sei es zur Suche nach bin Laden, über die Aufräumarbeiten am Ground Zero oder zu den militärischen Vorbereitungen der Bush Administration. Also beschloss Bharat, seine 20-Prozent-Zeit genau darauf zu verwenden. Auf Googles Suchalgorithmus PageRank basierend, entwickelte er das Tool StoryRank, das Nachrichten organisiert und strukturiert. Aus StoryRank wurde schließlich Google News, eine der beliebtesten (und umstrittensten) Nachrichtenseiten im ganzen Netz.
In gewisser Weise ist die Geschichte von StoryRank das genaue Gegenteil dessen, was mit dem Phoenix-Memo passiert ist. Wie Tim Berners-Lee hatte Krishna Bharat das Glück, in einem Unternehmen zu arbeiten, das Ahnungen förderte, ihnen die Zeit und den Raum gab, die sie brauchten, um sich zu entwickeln. Bharat nutzte die günstigen Bedingungen und schuf ein Tool, das Dokumente automatisch nach Relevanz und Zusammengehörigkeit gliederte – also genau das erledigte, wodurch das Phoenix-Memo und die Ergebnisse der Moussaoui-Ermittlungen miteinander hätten in Verbindung gebracht werden können. Bharat hatte das Gefühl, dass es einen Weg geben musste, Nachrichtennetzwerke besser zu organisieren, und entwickelte ein entsprechendes Programm. Was dabei herauskam, war ein Tool, mit dem sich verwandte Ideen nicht nur verknüpfen, sondern auch vervollständigen ließen. Google News startete im September 2002, was bedeutet, dass StoryRanksich innerhalb eines Jahres von einer Idee zu einem fertigen Produkt entwickelte. Das FBI hingegen verwendet neun Jahre nach 9/11 immer noch das Automated Case Support System.
IV.
SERENDIPITÄT
Eine Ahnung ist wie jeder andere Gedanke auch ein Netzwerk aus gemeinsam feuernden Gehirnzellen. Damit eine solche Ahnung reifen und erblühen kann, muss sie sich mit anderen verbinden. Sie braucht eine Umgebung, in der sie neue Verbindungen knüpfen kann. Diese Umgebung sind die Neuronen und Synapsen des Gehirns sowie die Kultur, in der wir leben.
Lange Jahre tobte eine hitzige Debatte darüber, wie diese Verbindungen genau funktionieren. Arbeitet das Gehirn mit chemischen Botenstoffen oder elektrischen Strömen? Als Antwort stellte sich heraus: beides. Wie durch lange Kabel senden die Neuronen elektrische Signale durch ihre Axone, die über schmale synaptische Spalte mit anderen Neuronen verbunden sind. Sobald das Signal die Synapse erreicht, sendet diese einen chemischen Botenstoff aus – einen Neurotransmitter wie Dopamin oder Serotonin –, der den Synapsenspalt überwindet und das Empfänger-Neuron veranlasst, seinerseits ein elektrisches Signal auszusenden.
Diese Mischnatur der Kommunikation zwischen den Neuronen wurde erstmals in frühen 1920er Jahren von dem deutschen Wissenschaftler Otto Loewi in einem berühmten Experiment nachgewiesen. Loewi nahm zwei noch schlagende Froschherzen und legte jedes davon in einen Behälter mit Salzlösung. Bei einemder beiden
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