Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
Vom Netzwerk:
das Projekt kam nie richtig ins Rollen. Schließlich machte er sich beinahe ein Jahrzehnt nach Enquire daran, eine noch umfangreichere Applikation zu programmieren, die auf verschiedenen Computern abgelegte Dokumente mit Hypertextlinks verbinden sollte. Eine Weile suchte er nach einem geeigneten Namen für die neue Plattform, Begriffe wie »information mine« oder »mesh« (dt. etwa: Informationsmine oder –netz) fielen ihm ein, doch schließlich kam ihm ein anderes Bild in den Sinn für die Aufgabe, die das Programm erfüllen sollte, und er nannte es das World Wide Web. Tim Berners-Lee machte jedoch nie denVersuch, den langen Werdegang seiner Idee zu einem einzelnen Moment zu verdichten, indem er den entscheidenden Geistesblitz hatte. Die Entstehungsgeschichte des Web ist geradezu archetypisch für langsame Ahnungen: Sie begann mit einem Kind, das in einer hundert Jahre alten Enzyklopädie schmökerte, dann folgte ein Nebenprojekt als Freelancer, das ihm lediglich helfen sollte, sich in der neuen Firma zurechtzufinden, bis schließlich der engagierte Versuch daraus wurde, eine Informationsplattform einzurichten, über die Computer auf der ganzen Welt miteinander vernetzt werden konnten. Wie Darwins Evolutionstheorie brauchte auch Berners-Lees Idee Zeit, um zu reifen, und zwar über ein Jahrzehnt:
    »Ich werde oft von Journalisten gefragt, welche zündende Idee oder welches einzigartige Ereignis das Web von einem Tag auf den anderen möglich machte. Und wenn ich ihnen dann sage, dass es keinen solchen Heureka-Moment gab, sind sie enttäuscht … Die Erfindung des World Wide Web begann damit, dass mir immer klarer wurde, wie wichtig es ist, Ideen in einer offenen, netzartigen Struktur miteinander zu verknüpfen. Das musste ich erst einmal in einem langen Prozess begreifen. Das Web entstand als Antwort auf ein nicht genauer definiertes Problem, durch das Zusammenspiel vieler Einflüsse, Ideen und Einsichten aus verschiedensten Bereichen, bis ganz allmählich ein Konzept in meinem Kopf Gestalt annahm. Es war eher ein Wachstumsprozess als eine lineare Abfolge von Problemlösungen.«
    Berners-Lees Beschreibung veranschaulicht hervorragend eine wichtige Komponente beim Kultivieren von Ahnungen. Innovation entsteht nicht in der Abgeschlossenheit der eigenen Gedankenwelt oder auf den Seiten eines Kollektaneenbuchs. Die wenigsten Menschen haben wie Darwin die Möglichkeit, ihre gesamte Zeitwissenschaftlichen Fragestellungen zu widmen. Die meisten haben ihre Ideen am Arbeitsplatz, wo sie Druck und Ablenkungen ausgesetzt sind, wo es Vorgesetzte gibt, denen sie Rechenschaft schuldig sind, und sie unter ständiger Aufsicht handeln. In dieser Hinsicht hatte Berners-Lee immenses Glück, denn er arbeitete am Schweizer Kernforschungslabor CERN. Berners-Lee brauchte zehn Jahre, um seine Idee zu einer Hypertext-Informationsplattform zu kultivieren. Den Großteil dieser Zeit verbrachte er dort, und erst 1990 – zehn Jahre, nachdem er die Arbeit an Enquire aufgenommen hatte – erhielt er vom CERN den offiziellen Auftrag, an einer Hypertext-Plattform zu arbeiten. Seine eigentliche Aufgabe war, Daten zu sammeln und zu verwalten. Eine globale Kommunikationsplattform einzurichten, war eher ein Hobby gewesen. Weil diese beiden Dinge – Beruf und Hobby – einige Überschneidungen aufwiesen, gestattete man ihm, sein Privatprojekt über die Jahre weiterzuverfolgen. Außerdem gab es ein paar Newsgruppen im Internet, die Berners-Lee ermöglichten, seine Ideen im Austausch mit anderen zu erweitern und zu verbessern. Diese Kombination von Flexibilität und Vernetzung war ein entscheidender Faktor. Damit seine langsame Ahnung gedeihen konnte, brauchte Berners-Lee eine Arbeitsumgebung, die vom Diktat der täglichen Aufgaben ausgenommen war. Und er brauchte Informationsnetzwerke, in denen er sich mit anderen über seine Ahnung austauschen konnte, die sie ergänzten und verfeinerten.
    Wenn wir uns einmal das exakte Gegenteil der innovationsfördernden Umgebung des CERN vor Augen führen wollen, wären die Strukturen des FBI im Sommer des Jahres 2001 ein gutes Beispiel. Dort waren es gleich zwei wichtige Netzwerke, die beim Verbinden der Informationen in den Monaten vor dem 11. September versagten: zum einen das Automated Case Support System, zum anderen die neuralen Netzwerke der Hauptverantwortlichen. Auch2001 war es bereits möglich, Dokumente nach ungewöhnlichen Wortkombinationen wie »Flugschulen« und »radikal-islamische Fundamentalisten«

Weitere Kostenlose Bücher