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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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lange Sicht durch die höhere Mutationsrate wieder aufgehoben. Könnte das betreffende Bakterium jedoch wie der Wasserfloh spontan auf sexuelle Fortpflanzung umschalten, sähe die Sache schon anders aus. Bei der sexuellen Fortpflanzung steuert jeder Elternteil nur die Hälfte der genetischen Information bei. Mit etwas Glück erbt die nächste Generation vom einen Elternteil das Gen, mit dem es Nahrung schneller aufspüren kann, und vom anderen das Gen für die zuverlässige DNA-Reparatur.
    Einer der Gründe, warum die Evolution so etwas Kompliziertes wie sexuelle Fortpflanzung entwickelt hat, ist die Möglichkeit, nützliche Innovationen an die gesamte Population weiterzugeben, wo sie auf andere Innovationen treffen und sich mit diesen verbinden können. Wenn wir aber an das Erfolgsgen und das Mutationsgen aus dem Bakterienbeispiel denken, wird klar, dass sexuelle Fortpflanzung vor allem aus folgendem Grund so weit verbreitet ist: Sie nutzt die produktive Kraft des Irrtums und dämmt gleichzeitig die damit verbundenen Risiken ein. Sex hält die Tür zum Nächstmöglichen gerade einen Spaltbreit offen, sodass wir uns an veränderte Umweltbedingungen anpassen können. Und weil dieser Spalt so schmal ist, bleibt auch die Mutationsrate im Rahmen. Bei den sich asexual fortpflanzenden Bakterien hingegen ist die Fehlerrate weit höher. Sie haben nicht wie wir die Möglichkeit, durch Sex von den Fehlern unserer Gene zu lernen.
    Dieses komplizierte Wechselspiel zwischen Genauigkeit und Irrtum, zwischen Information und Störung, erklärt auch die Ergebnisse von Charlan Nemeths Studie. Wenn jemand in einer Testgruppe behauptet, Blau wäre Grün, oder in einer Mock-Jury einen Angeklagten verteidigt, der eindeutig schuldig ist, bringt er damit streng genommen Fehlinformationen in seine Umgebung ein. Doch sind es genau solche Störfaktoren, die uns schlauer und kreativer machen, denn sie zwingen uns, unsere Meinung noch einmal zu überdenken und uns zu fragen: Was wäre, wenn Blau tatsächlich Grün wäre? Richtig zu liegen, ist wie der Phase-Lock-Zustand im Gehirn, bei dem alle Neuronen synchron feuern. Wir brauchen ihn, denn eine Welt, in der ausschließlich Irrtum und Chaos regieren, würde nicht funktionieren. Weder auf der sozialen noch auf der neurochemischen Ebene, ganz zu schweigen von der genetischen. Dennoch ist es enorm wichtig, Raum für produktive Irrtümer zu lassen. Innovative Umgebungen profitierenvon ihnen. Unter zu viel Kontrolle leiden sie nur. Große Firmen und Organisationen bedienen sich gerne strikter Qualitätsmanagement-Methoden wie Six Sigma oder TQM und versuchen dadurch, jegliche Fehlerquelle dauerhaft aus Besprechungsraum und Produktionslinie zu verbannen. Im krassen Gegensatz dazu haben viele Web-Start-ups sich das Motto »fail faster« (dt.: schneller zum Fehler) auf die Fahne geschrieben. Fehler sind natürlich nicht das Ziel, sie sind und bleiben nun mal Fehler.
    Genau deshalb möchte man sie zum einen möglichst schnell hinter sich bringen. Zum anderen sind sie ein notwendiger und unvermeidbarer Schritt auf dem Weg zu echter Innovation. Benjamin Franklin, der bekanntermaßen nicht ganz unbedarft war, was Innovation angeht, drückte es folgendermaßen aus: »Alles in allem ist die Geschichte der Irrtümer der Menschheit vielleicht wertvoller und interessanter als die ihrer Errungenschaften. Die Wahrheit ist gleichförmig und schmal. Sie ist ewig, und um ihr zu begegnen, braucht es weniger aktive Anstrengung als vielmehr eine eher passive Neigung der Seele. Der Irrtum hingegen ist unendlich vielfältig.«

VI.
EXAPTATION

Zwei Jahre, bevor er bei einer waghalsigen Rettungsaktion während eines Vesuvausbruchs starb, schrieb der römische Gelehrte Plinius der Ältere seine Enzyklopädie
Naturalis historia
zu Ende. Plinius berichtet dort von einem Gerät, das vor Kurzem zum Keltern von Wein erfunden worden war, einer Presse nämlich, die mithilfe einer Spindel und Gewichten »konzentrierten Druck auf breite Bretter ausübt, die sich über den Trauben befinden«. Die heutige Geschichtsschreibung hegt jedoch den Verdacht, Plinius könnte die Erfindung aus Patriotismus wider besseres Wissen seinen Landsleuten zugeschrieben haben, denn Spindelpressen zur Herstellung von Wein und Olivenöl gab es nachweislich schon mehrere Jahrhunderte zuvor in Griechenland. Doch ganz egal, wann und wo die Spindelpresse erfunden wurde: Ihr immenser praktischer Nutzen sorgte dafür, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen

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