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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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klassisches Beispiel für solche Ökosystem-Ingenieure. Sie fällen Bäume und errichten daraus Dämme, wodurch sie im Alleingang in gemäßigten Wäldern Feuchtgebiete schaffen, die dann weitere Lebewesen anziehen. Helmspechte hacken ihre Nisthöhlen in die abgestorbenen Baumstämme; Brautenten und Kanadagänse lassen sich in verlassenen Biberbauen nieder; Reiher, Eisvögel und Schwalben profitieren von dem künstlichen Teich genauso wie Frösche, Eidechsen und andere Bewohner langsam fließender Gewässer wie Libellen, Muscheln und Wasserkäfer. Wie die Korallenkolonien schaffen auch die Biber eine Plattform, die erstaunlich reichhaltiges Leben unterhält.
    Plattformbildung hat von Natur aus mit Emergenz zu tun. Die winzigen Scleractinia-Polypen bauen nicht bewusst an einemUnter-Wasser-Las-Vegas. Sie tun lediglich, was sie immer tun: Algen fressen und Aragonitkalk bilden, und beiläufig entsteht dadurch ein höher entwickeltes Ökosystem. Was ein so gut wie lebloser Streifen extrem nährstoffarmen Salzwassers war, wird zu einer schillernden Meeresmetropole. Der Biber baut einen Damm, um sich vor seinen Fressfeinden zu schützen, und legt damit das Fundament für die Emergenz eines Lebensraums für Eisvögel, Libellen, Käfer und viele andere Organismen. Plattformbauer und Ökosystem-Ingenieure öffnen nicht nur Türen zum Nächstmöglichen, sie errichten ganze neue Stockwerke.
    Die Cafeteria in der Abteilung für angewandte Physik (APL) der Johns Hopkins University in Maryland war seit jeher ein Ort für angeregtes Fachsimpeln unter den dort beschäftigten Physikern, Technikern, Mathematikern und zukünftigen Programmierern. Aber zur Mittagszeit am Montag des 7. Oktober 1957 ging es besonders hoch her. Am Wochenende hatte die Nachricht Schlagzeilen gemacht, dass die Sowjetunion mit Sputnik 1 den weltweit ersten Satelliten ins All schießen würde. Die beiden jungen Physiker William Guier und George Weiffenbach diskutierten eifrig über die Signale, die Sputnik wahrscheinlich zur Erde schicken würde. Als sie ein paar ihrer Kollegen befragten, stellte sich heraus, dass niemand auf die Idee gekommen war, zu überprüfen, ob sich mit der technischen Ausrüstung des APL die Signale des Sputnik möglicherweise empfangen ließen. Doch Weiffenbach, der gerade über Mikrowellenspektroskopie promovierte, hatte einen 20-MHz-Empfänger in seinem Büro.
    Also verbrachten Guier und Weiffenbach die nächsten Stunden damit, den Empfänger auf das Sputnik-Signal einzustellen. Um die unvermeidlichen Unkenrufe, die ganze Geschichte sei nur ein kommunistischer Propagandatrick, von vornherein zu unterbinden,ließen die Sowjets Sputnik ein ungewöhnlich leicht zu empfangenes Signal senden: einen Dauerton auf 20 MHz sowie auf 40 MHz, und gegen Ende des Nachmittags hatten Weiffenbach und Guier das Signal gefunden. Das Signal selbst war denkbar simpel, nicht mehr als ein elektronisch erzeugter Piepton. Das Besondere daran war seine tief greifende Bedeutung. Guier und Weiffenbach saßen in einer Kleinstadt in Maryland und lauschten einem von Menschen gemachten Signal aus dem Weltall. Das war wie Musik in ihren Ohren. Nach und nach verbreitete sich im APL die Kunde von den zwei jungen Physikern, die das Sputnik-Signal aufgespürt hatten, und sogleich ergoss sich ein beständiger Strom von Besuchern in Weiffenbachs Büro, die dem Piepen des Satelliten lauschen wollten.
    Als sie begriffen, dass sie gerade Zeugen eines historischen Ereignisses wurden, schlossen Guier und Weiffenbach ihren Empfänger an einen Audioverstärker an und hielten das Signal auf Tonband für die Nachwelt fest. Jede ihrer Aufnahmen versahen sie mit einem Zeitstempel. Während sie so dasaßen, lauschten und aufzeichneten, kamen sie auf die Idee, mithilfe des Dopplereffekts die Geschwindigkeit des Satelliten zu berechnen. Der österreichische Physiker Christian Doppler hatte den Effekt ein Jahrhundert zuvor entdeckt. Dabei geht es um die Frequenzveränderung, die ein Signal unweigerlich erfährt, wenn Sender oder Empfänger sich bewegen. Stellen wir uns einen Lautsprecher vor, der nur eine einzige Note spielt, das eingestrichene a zum Beispiel, was einer Frequenz von 440 Hz entspricht. Befestigen wir diesen Lautsprecher auf einem Auto und lassen jemanden mit diesem Auto auf uns zufahren, werden die Schallwellen »gestaucht«, das Zeitintervall zwischen den Schwingungen wird kürzer und der Ton erscheint heller. Fährt das Auto von uns weg, kehrt sich der Dopplereffekt

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